Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Im Rahmen der Kriminal- und Sozialprognose ist eine vergleichende Betrachtung der in der Person des Verurteilten die Anlasstat bestimmenden Faktoren mit dessen Entwicklung im Strafvollzug geboten.

  • 2.

    Im Falle einer zur Tatzeit gegebenen, die Anlasstat auslösenden Störung der Persönlichkeitsreifung eines noch einem Jugendlichen gleichstehenden Heranwachsenden kommt dem Umstand, dass die Reifeverzögerung während des Vollzugs mit der Folge weitgehender persönlicher Stabilisierung aufgearbeitet worden ist, besonderes Gewicht zu.

 

Tenor

  • 1.

    Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - M. vom 16. Mai 2006 aufgehoben.

  • 2.

    Die Vollstreckung der restlichen Jugendstrafe aus dem Urteil des Landgerichts - Jugendkammer - Z. vom 24. Mai 2000 wird nach Verbüßung von mehr als zwei Dritteln der Strafe zur Bewährung ausgesetzt.

    Der Verurteilte ist am 01. August 2006 zu entlassen.

  • 3.

    Die Bewährungszeit wird auf drei Jahre festgesetzt.

  • 4.

    Der Verurteilte wird für die Dauer der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt.

  • 5.

    Dem Verurteilten werden folgende Weisungen erteilt:

    • a)

      Er hat seine Wohnung in Y. beizubehalten.

    • b)

      Er hat sich unverzüglich um den Abschluss des Arbeitsvertrages mit der Firma C. zu bemühen, die Arbeitsstelle anzutreten und den Vertragsabschluss sowie den Antritt der Arbeitstelle dem Landgericht - Strafvollstreckungskammer - M. sowie dem Bewährungshelfer mitzu-teilen.

    • c)

      Er hat sich im Falle der Arbeitslosigkeit unverzüglich - unter Benachrichtigung des Bewährungshelfers - bei der Bundesagentur für Arbeit als Arbeit suchend zu melden, sich ernsthaft um ein festes Arbeitsverhältnis zu bemühen und dieses ggf. beizubehalten.

    • d)

      Er hat jeden Wechsel des Wohnsitzes und jeden Wechsel der Arbeitsstelle unverzüglich dem Landgericht - Strafvollstreckungskammer - M. sowie dem Bewährungshelfer anzuzeigen.

  • 6.

    Die Belehrung über die Dauer und das Wesen der Strafaussetzung zur Bewährung wird der Justizvollzugsanstalt X. übertragen.

  • 7.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

I.

Der zur Tatzeit (08.07.1999) 18 Jahre und zehn Monate alte und nun vor Vollendung des 26. Lebensjahres stehende S. wurde vom Landgericht - Jugendgericht - Z. am 24.05.2000 wegen versuchter sexueller Nötigung und wegen Mordes zu der Jugendstrafe von neun Jahren verurteilt; das Urteil ist seit dem 01.06.2000 rechtskräftig. In dieser Sache befindet er sich seit dem 15.07.1999 ununterbrochen in Haft, zunächst in Untersuchungshaft und seit Rechtskraft des Urteils in Strafhaft. Auf Grund Beschlusses des Amtsgerichts - Vollstreckungsleiter - X. vom 10.09.2004 wird die Jugendstrafe seitdem nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene vollzogen (§ 92 Abs. 2 Satz 3 JGG); die Vollstreckung wurde am 23.09.2004 gem. § 85 Abs. 6 JGG an die Staatsanwaltschaft Z. abgegeben, mit der Folge, dass die Strafvollstreckungskammer nach § 462 a Abs. 1 StPO für die Entscheidung über die Aussetzung der Restjugendstrafe sachlich zuständig wurde. Zwei Drittel der Strafe waren am 12.07.2005 verbüßt; Strafende ist für den 12.07.2008 notiert.

Durch Beschluss vom 13.07.2005 hatte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts M. eine vorzeitige bedingte Entlassung des Verurteilten wegen eines in seiner Person verbleibenden Risikos abgelehnt. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten verwarf der Senat mit Beschluss vom 04.10.2005 als unbegründet. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten, auch zum Vollzugsverlauf verweist der Senat auf die Darstellung in den Gründen jener Entscheidungen.

Der Verurteilte beantragte mit Verteidigerschriftsatz vom 16.01.2006 erneut, ihn vorzeitig bedingt zu entlassen. Die Staatsanwaltschaft Z. als zuständige Vollstreckungsbehörde tritt bei positivem Ergänzungsgutachten einer Reststrafaussetzung nicht entgegen. Der psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. F. legte im Anschluss an sein Gutachten vom 24.05.2005 nach am 10.04.2006 durchgeführter Exploration des Verurteilten sein - von der Strafvollstreckungskammer mit Verfügung vom 06.02.2006 in Auftrag gegebenes weiteres psychiatrisches Gutachten vom 27.04.2006 vor. Eine ihre Stellungnahme vom 19.01.2005 fortschreibende Äußerung der Justizvollzugsanstalt X. zum weiteren Vollzugsverlauf erhob die Strafvollstreckungskammer nicht. Den Verurteilten hörte sie im Beisein seines Verteidigers am 16.05.2006 an; von einer mündlichen Anhörung des Sachverständigen sah die Kammer - entgegen dem von dem Verurteilten mit Verteidigerschriftsatz vom 10.04.2006 gestellten Antrag - ab.

Mit Beschluss vom 16.05.2006 lehnte die Strafvollstreckungskammer wiederum eine vorzeitige bedingte Entlassung des Verurteilten ab. Dagegen hat der Verurteilte mit Verteidigerschriftsatz vom 22.05.2006 form- und fristgerecht sofortige Beschwerde erhoben und näher begründet. Mit Verteidigerschriftsatz vom 13.07.2006 hat er ergänzend d...

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