Verfahrensgang
AG Offenburg (Beschluss vom 30.12.2010; Aktenzeichen 2 F 211/10) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Offenburg vom 30.12.2010 - 2 F 211/10 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
4. Der Antragstellerin wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für den zweiten Rechtszug bewilligt und Rechtsanwalt Dr. G.-B. beigeordnet.
5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Das Rechtsmittel richtet sich auf die Frage, ob ein Beteiligter im Verfahren nach dem GewSchG verpflichtet werden kann, seine Wohnung an einem bestimmten Ort aufzugeben.
Die Beteiligten sind verheiratet. Sie leben getrennt. Das Ehescheidungsverfahren ist anhängig. Die Trennung ist von erheblichen Auseinandersetzungen geprägt. Mehrere Verfahren nach dem GewSchG waren in der Vergangenheit anhängig, in denen Näherungs-, Betretens- und Kommunikationsverbote gegen den Antragsgegner angeordnet wurden.
Aus Anlass der Trennung ist die Antragstellerin mit ihrer Tochter aus einer früheren Beziehung G. D., geboren am ... 1996, aus der bisherigen Ehewohnung ausgezogen. Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, insbesondere der Angabe eines falschen Namens, konnte der Antragsgegner in dem Mehrfamilienhaus, in das die Antragstellerin gezogen ist, die unmittelbar darunter gelegene Wohnung anmieten. Hierdurch überschneiden sich die Lebensbereiche der Beteiligten. Es kommt zu Begegnungen, die durch die in den vorangegangenen Verfahren nach dem GewSchG angeordneten Maßnahmen verhindert werden sollten. Dies führt bei der Antragstellerin zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Sie befindet sich in fachpsychiatrischer Behandlung und nimmt u.a. Psychopharmaka ein.
Im vorliegenden Verfahren beantragte die Antragstellerin erneut die Anordnung von Maßnahmen nach dem GewSchG. Zusätzlich beantragte sie, den Antragsgegner zu verpflichten, seinen Wohnsitz in dem Mehrfamilienhaus aufzugeben. Zur Begründung führte sie aus, der Antragsgegner stelle ihr weiterhin nach. Er halte sich nicht an die früheren Maßnahmen. Er beleidige sie. Morgens passe er sie und die Tochter im Treppenhaus ab. Er suche sie auch bei ihrer Arbeitsstelle auf. All dies führe zu einer erheblichen psychischen und gesundheitlichen Beeinträchtigung der Antragstellerin. Um den im GewSchG vorgesehenen effektiven Schutz zu realisieren, sei neben den beantragten Maßnahmen (Näherungs-, Betretens- und Kommunikationsverboten) vorliegend auch erforderlich, dass der Antragsgegner aus dem Mehrfamilienhaus wieder ausziehe. Der Bezug der Wohnung sei für den Antragsgegner der entscheidende strategische Schachzug gewesen, der es ihm ermögliche, auf jede Regung der Antragstellerin und ihrer Tochter mit entsprechenden Nachstellungen zu reagieren. In vielen Fällen seien diese Nachstellungen nicht nachweisbar und die nach dem GewSchG angeordneten Verbote somit nicht effektiv durchsetzbar. Es gäbe keine schutzwürdigenden Interessen auf Seiten des Antragsgegners, die Wohnung beizubehalten.
In dem angefochtenen Beschluss hat das AG die beantragten Maßnahmen nach dem GewSchG angeordnet, den Antragsgegner jedoch nicht verpflichtet, aus dem Haus auszuziehen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine solche Anordnung wäre mit dem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Das GewSchG enthalte auch nicht die für eine solche Anordnung erforderliche ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie den Antrag weiterverfolgt, den Antragsgegner zu verpflichten, seinen Wohnsitz in dem Haus aufzugeben. Hierzu wiederholt und vertieft sie den o.g. Vortrag.
Der Antragsgegner tritt der Beschwerde unter Hinweis auf die Tragweite einer möglichen Obdachlosigkeit entgegen. Im Übrigen stelle er der Antragstellerin nicht nach.
II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das AG hat es im vorliegenden Verfahren zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner zur Aufgabe seines derzeitigen Wohnsitzes zu verpflichten.
Die Antragstellerin hat das vorliegende Verfahren als Verfahren nach dem GewSchG eingeleitet und neben der im vorliegenden Beschwerdeverfahren nur noch verfahrensgegenständlichen Verpflichtung zur Wohnsitzaufgabe die Anordnung weiterer Maßnahmen nach dem GewSchG beantragt, die auch erlassen wurden. Für eine Verpflichtung des Gewalttäters zur Aufgabe seiner Wohnung bietet das GewSchG keine Rechtsgrundlage. § 1 GewSchG enthält eine - nicht abschließende - Aufzählung möglicher Anordnungen durch das Gericht, u.a. Betretens-, Näherungs- und Kommunikationsverbote. Eine Verpflichtung zur Wohnungsaufgabe ist dort nicht vorgesehen. Eine solche Verpflichtung kann auch nicht aus § 1 Abs. 1 GewSchG abgeleitet werden. Denn § 1 GewSchG richtet den Fokus auf den Schutz des Sphäre des Opfers und erlegt dem Gewalttäter Einschränkungen in seiner persönli...