Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehewohnung – verbotene Eigenmacht – Wiedereinräumung des Besitzes. Familiensache. Zutritts zur Ehewohnung
Leitsatz (amtlich)
Ein Ehegatte, der vom anderen Ehegatten aus der Ehewohnung während der Trennungszeit ausgesperrt wurde, kann die Wiedereinräumung des Besitzes an der Ehewohnung zum Zwecke des Getrenntlebens innerhalb der Wohnung nach § 1361 b BGB analog verlangen, wobei der Regelungsgehalt des possessorischen Besitzschutzes mit einzubeziehen ist. Das Alleineigentum des aussperrenden Ehegatten an der Wohnung rechtfertigt nicht, diese ihm allein zuzuweisen; vielmehr müßte die Zuweisung der Wohnung erforderlich sein, um eine schwere Härte zu vermeiden.
Normenkette
BGB § 1361b
Beteiligte
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – K. vom 17.8.1999 (1 F 111/99) wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Parteien, die sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit haben, sind seit 1966 verheiratet. Sie lebten in einem im Eigentum des Antragsgegners stehenden Haus mit rund 108 qm Wohnfläche.
Der Antragsgegner ließ am 18.6.1999 die Schlösser zu dem Haus auswechseln und verwehrt der Antragstellerin seither den Zutritt. Die Parteien leben seit diesem Tag getrennt.
Die Antragstellerin begehrt den Zutritt zur Ehewohnung mit dem Ziel, dann innerhalb des Hauses getrennt zu leben.
Die Antragstellerin bestreitet, daß ein Getrenntleben innerhalb des Hauses Einfluß auf den Gesundheitszustand des Antragsgegners habe. Sie habe keine eigenen Einkünfte und könne daher keine Wohnung bezahlen.
Die Antragstellerin hat im Klageverfahren beantragt,
den Antragsgegner zu verurteilen, ihr den Zutritt zur Ehewohnung in der H. str., 76351 L.-H. zu gewähren und den Aufenthalt in der gemeinschaftlichen Wohnung zu gestatten.
Der Antragsgegner hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, aufgrund der heftigen Streitigkeiten der Parteien habe er Gastritis bekommen, die sich seit dem Auszug der Antragstellerin erheblich verbessert habe. Diese sei mit eigenen Einkünften in der Lage, eine Wohnung zu bezahlen. Zudem sei in der Türkei bereits ein Scheidungsverfahren anhängig.
Das Familiengericht hat der Klage stattgegeben, da die Antragstellerin bis zur Scheidung einen Anspruch darauf habe, die eheliche Lebensgemeinschaft im äußeren räumlichen Bereich wiederherzustellen und in dem Haus getrennt zu leben. Der Antragsgegner könne das Haus nur im Rahmen eines Ehewohnungszuweisungsverfahrens zugewiesen bekommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Antragsgegners, der sein erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt. Bei einem Wiedereinzug der Antragstellerin sei mit einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu rechnen. Die Antragstellerin habe zudem bereits eine andere Wohnung. Im übrigen habe er zwischenzeitlich die Zuweisung der Ehewohnung beantragt.
Der Antragsgegner beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen. Sie habe sich keine andere Wohnung gesucht, sondern sei zum Zwecke der Vermeidung der Obdachlosigkeit von der Gemeinde eingewiesen worden. Sie müsse nun 540 DM Miete zahlen, obwohl sie keine Einkünfte habe. Eine Aufteilung der Ehewohnung zur getrennten Nutzung sei möglich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Parteien wurden am 4.1.2000 bzw. 15.2.2000 angehört (vgl. Protokolle vom 4.1.2000 und vom 15.2.2000, II, 53 ff.; 87 ff.).
II.
Die vom Antragsgegner eingelegte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ist als befristete Beschwerde zu behandeln, da das Familiengericht an sich im FGG-Verfahren den Zutritt zur Ehewohnung hätte regeln müssen und hiergegen die befristete Beschwerde gem. §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO das zulässige Rechtsmittel wäre. Da tatsächlich ein Urteil ergangen ist, konnte der Antragsgegner sein Rechtsmittel als Berufung einlegen („Meistbegünstigung”).
Die befristete Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet, da der Antragstellerin ein Zutrittsrecht zur ehelichen Wohnung nach § 1361 b BGB analog zusteht.
1. Auf die Beurteilung des Sachverhalts findet deutsches Recht Anwendung, nachdem die Ehegatten sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit haben, Art. 5 EGBGB. Zumindest innerhalb Deutschlands geht insoweit die deutsche Staatsangehörigkeit vor.
2. Der Anspruch der Antragstellerin, ihr wieder Zutritt zur Ehewohnung zu gewähren, ergibt sich aus § 1361 b BGB analog.
a) Obwohl die Antragstellerin zwischenzeitlich in einer anderen Wohnung wohnt, hat die im Alleineigentum des Antragsgegners stehende, früher von beiden Parteien bewohnte Wohnung ihren Charakter als Ehewohnung noch nicht verloren (Senat, FamRZ 1999, 1087 f.; Palandt/Brudermüller, BGB, 59. Aufl., § 1361 b, Rn. 6 m.w.N.).
Unstreitig ist die Antragstellerin nicht freiwillig aus de...