Entscheidungsstichwort (Thema)
Einsicht in nicht bei den Akten befindliche Messunterlagen. Zur Reichweite des Rechts auf Einsicht in nicht bei den Akten befindliche Messunterlagen
Leitsatz (amtlich)
1. Soweit ein Messgerät Daten zu statistischen Zwecken speichert, die keinen Bezug zu der Einzelmessung haben, kommt diesen Daten keine Relevanz für die Überprüfung des Messergebnisses zu.
2. Hat das Gericht in der Hauptverhandlung die nur mit Hilfe des öffentlichen Schlüssels (public key) mögliche Überprüfung der Authentizität der Messdaten vorgenommen, kann der Betroffene die Überlassung des öffentlichen Schlüssels nicht beanspruchen.
3. Der Anspruch auf nicht bei den Akten befindliche Messunterlagen besteht nur hinsichtlich solcher Informationen, die bei der Bußgeldbehörde tatsächlich vorhanden sind. Versteht sich das nicht von selbst (hier: Grundlagen einer geschwindigkeitsbegrenzenden Beschilderung), bedarf es zur Ausfüllung einer diesbezüglichen Verfahrensrüge entsprechenden Vortrags.
Normenkette
EMRK Art. 6 Abs. 1 S. 1; GG Art. 103 Abs. 1; OWiG § 80 Abs. 1 Nr. 2; StVO § 3
Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 06.12.2022; Aktenzeichen 37 OWi 550 Js 8453/22) |
OLG Karlsruhe (Entscheidung vom 31.10.2023; Aktenzeichen 2 ORbs 425/23) |
Tenor
Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung des Betroffenen werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens über die Anhörungsrüge trägt der Betroffene.
Gründe
A.
Wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung, wobei die Messung mit einem Messgerät vom Typ TraffiStar S330 des Herstellers Jenoptik Robot GmbH erfolgte, verurteilte das Amtsgericht Freiburg den Betroffenen mit Urteil vom 6.12.2022 zu der Geldbuße von 90 €. Seinen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde begründete der Betroffene u.a. mit einer Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, der in der amtsrichterlichen Zurückweisung seines Antrags, ihm Einsicht in näher bezeichnete Unterlagen - u.a. die Statistik-/Logdatei zur Messreihe und den Public Key der Messanlage sowie Informationen über die Beteiligung privater Unternehmen an der Geschwindigkeitsmessung - zu verschaffen, und eines daran anknüpfenden Aussetzungsantrags gesehen wurde. Der Senat verwarf den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit Beschluss vom 31.10.2023 als unbegründet. Dabei hat der Senat die amtsgerichtliche Zurückweisung des Antrags, der Anknüpfungspunkt der Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör war, zwar in dem Sinn als willkürlich erachtet, dass er ohne eine nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückführbare Begründung erfolgte und unter Berücksichtigung des Inhalts der gesetzlichen Regelung nicht mehr verständlich war. Gleichwohl hat der Senat eine Verletzung des Anspruchs des Betroffenen auf rechtliches Gehör mit unterschiedlicher Begründung verneint. Hinsichtlich Statistik-/Logdatei und Public Key ging der Senat auf der Grundlage der Urteilsgründe davon aus, dass der im amtsgerichtlichen Verfahren mit der Überprüfung der Messung beauftragte technische Sachverständige alle für die Bewertung relevanten Daten und Unterlagen bei seinem Gutachten berücksichtigt hatte, und hat deshalb ausgeschlossen, dass die Überlassung der begehrten Informationen zur Aufdeckung einer Fehlerhaftigkeit der Geschwindigkeitsmessung hätten führen können. Soweit dem Betroffenen nach seiner Darstellung die Auskunft über die Einschaltung privater Unternehmen versagt wurde, hat der Senat unter Anknüpfung an obergerichtliche Rechtsprechung auch dieser behaupteten Verweigerung die Entscheidungserheblichkeit abgesprochen, weil bei einer fest installierten Geschwindigkeitsmessanlage - wie dem hier verwendeten Typ - von vornherein nur die - zulässige - Beteiligung beim Auslesen und Auswerten der Messdaten in Betracht kommt und das Amtsgericht sich im Übrigen mit Hilfe des technischen Sachverständigen von der Authentizität der Messdaten rechtsfehlerfrei überzeugt hatte.
Mit am 15.11.2023 eingegangenem Verteidigerschriftsatz erhob der Betroffene Anhörungsrüge, hilfsweise Gegenvorstellung, mit der die Annahme des Senats, dass es sich bei der Annahme des Senats, dass dem im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Sachverständigengutachten auch die Statistik-/Logdatei des Messgeräts und der Public Key zugrunde gelegen seien, um eine Überraschungsentscheidung handle. Zudem vertritt er unter Berufung auf Rechtsprechung des baden-württembergischen Verfassungsgerichtshofs die Auffassung, dass ihm auf seinen Antrag die begehrten Unterlagen trotz der unter Heranziehung eines Sachverständigen erfolgten gerichtlichen Prüfung zur Verfügung zu stellen gewesen seien. Schließlich beanstandete er, dass der Senat seinen Vortrag zur Relevanz der Einschaltung privater Unternehmen auch bei der Aufbereitung oder Auswertung der Daten nicht berücksichtigt habe.
Der Senat hat die Einwendungen zum Anlass genommen, beim Gerätehersteller nachzufragen, ob das bei der Messung verwendete Gerät eine Statistikdatei erstellt und ggf. welche Daten in dieser D...