Leitsatz (amtlich)

Gemäß § 2 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 StGB ist der mit Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 (BGBl. 2017 I S. 872) mit Wirkung zu, 1.7.2017 neu gefasste § 459g Abs. 5 StPO a.F. als gegenüber dem mit Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.2021 (BGBl. 2021 I S. 2099) am 1.7.2021 in Kraft getretenen § 459g Abs. 5 StPO n.F. milderes Gesetz anzuwenden, wenn die rechtswidrige Tat, aus welcher der Täter etwas erlangt hat, vor Inkrafttreten der Neufassung am 1.7.2021 beendet wurde.

 

Normenkette

StGB § 2 Abs. 3, 5; StPO § 459g Abs. 5; EGStGB Art. 316h

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Entscheidung vom 24.03.2022; Aktenzeichen 20 StVK 596/21)

LG Stuttgart (Entscheidung vom 18.04.2021; Aktenzeichen 8 KLs 221 Js 123007/20)

 

Tenor

  1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Karlsruhe - auswärtige Strafkammern Pforzheim - vom 24. März 2022 aufgehoben.
  2. Die weitere Vollstreckung der im Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. Juni 2021 (8 KLs 221 Js 123007/20) angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 265.300 € unterbleibt.
  3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
 

Gründe

I.

Durch Urteil des Landgerichts S. vom 16.06.2021 (8 KLs 221 Js 8109/20), rechtskräftig seit 26.06.2021, wurde der Beschwerdeführer wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zugleich wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit einem Vorwegvollzug von einem Jahr und drei Monaten und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 265.300 € angeordnet.

...

Mit Schreiben vom 30.08.2021 beantragte der Verurteilte, dass die weitere Vollstreckung hinsichtlich des die bisherige Sicherung übersteigenden Betrages gemäß § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO a.F. zu unterbleiben habe, da die Vollstreckung der durch Urteil des Landgerichts S. angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden sei und auch gemäß § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO zu unterbleiben habe, da die Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, da er suchtkrank sei, das ursprünglich Taterlangte weitgehend an Lieferanten abgeben hätte müssen und für seinen Lebensunterhalt und weitere Drogen ausgegeben habe. Der darüberhinausgehende Rest sei bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmt und verwertet worden. Der Verurteilte verfüge über kein weiteres Vermögen mehr, sodass eine Entreicherung vorliege. Die Einziehungsentscheidung sei daher auf die sichergestellten Beträge zu beschränken.

Die Staatsanwaltschaft S. trat mit Stellungnahme vom 28.10.2021 dem Antrag entgegen und verwies darauf, dass seit dem 01.07.2021 die neue Fassung des § 459g Abs. 5 StPO gelte. Die vormalig erste Alternative "soweit der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist", sei im § 459g Abs. 5 StPO n.F. nicht mehr enthalten. Mithin könne sich der Antrag nicht mehr darauf stützen, dass der Verurteilte das ursprünglich Taterlangte an Lieferanten habe abgeben müssen oder dieses für seinen Lebensunterhalt oder gar weitere Drogen verbraucht habe und es deshalb nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden sei. Die nach der aktuellen Rechtslage für eine Anordnung nach § 459g Abs. 5 StPO n.F. erforderliche Voraussetzung einer für den Verfolgten unverhältnismäßigen Vollstreckung liege nicht vor. Nach der Inhaftierung sei in Bezug auf das beabsichtigte Studium mit finanziellen Mitteln zu rechnen, die in der Zukunft, ggf. unter Gewährung einer ratenweisen Zahlung, zur Tilgung der Einziehungsforderung führen könnten.

Das Landgericht hat den Antrag des Verfolgten mit dem angegriffenen Beschluss zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es entscheidend darauf ankomme, welches Recht für die Beurteilung heranzuziehen sei. Zwar sei das Urteil am 18.06.2021 und damit noch vor der Gesetzesänderung erlassen (und rechtskräftig) geworden, jedoch sei der zugrundeliegende Antrag erst am 30.08.2021 und damit nach Gesetzesänderung gestellt worden. Für die rechtliche Beurteilung habe die Strafvollstreckungskammer auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt, denn zur rechtlichen Beantwortung komme es in der Strafvollstreckung gerade auf den Entscheidungszeitpunkt an. Eine Verletzung des Rückwirkungsverbots habe nicht gesehen werden können. Die Neuregelung des § 495g Abs. 5 StPO lasse keinen Spielraum für die vorgetragenen Argumente mehr zu.

Gegen den Beschluss, der dem Verurteilten und seinem Verteidiger jeweils am 05.04.2022 zugestellt wurde, hat der Verte...

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