Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe. Belastungen. Hausbau. Ehescheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gemäß 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind bei der Bedürftigkeitsprüfung eines PKH-Gesuchstellers die laufenden Zahlungen auf Zins und Tilgung für das eigene Einfamilienhaus berücksichtigungsfähige Belastungen, wobei aber seit Geltung des PKH-Änderungsgesetzes eine Kürzung dieser Belastungen um einen fiktiven Mietzins nicht mehr in Betracht kommt.

Die neue Vorschrift des 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sieht inzwischen Kaltmiete und Heizkosten ausdrücklich als Abzugsposten vor und hat sie somit nicht mehr (mit 18 bzw. 20 %) im früheren Grenzbetrag von 850,00 DM monatlich bereits berücksichtigt.

2. Zur Feststellung des angemessenen Verhältnisses der Kosten der Hausfinanzierung zum Einkommen des Gesuchstellers.

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

AG Sinsheim (Beschluss vom 18.03.1997; Aktenzeichen 20 F 153/96)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Sinsheim vom 18.03.1997 (20 F 153/96) aufgehoben.

1) Dem Antragsteller wird für den ersten Rechtszug ratenfreie Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … bewilligt.

2) Dem Antragsteller wird aufgegeben, dem Familiengericht Sinsheim nach Veräußerung des Hausanwesens … den diesbezüglichen Nettoverkaufserlös unverzüglich mitzuteilen.

 

Tatbestand

I.

Das Amtsgericht – Familiengericht – Sinsheim hat mit dem angefochtenen Beschluß vom 18.03.1997 dem Antragsteller Prozeßkostenhilfe für das laufende Scheidungsverbundverfahren mit der Begründung versagt, die Leistung monatlicher Abzahlungen auf die Einfamilienhausschulden in Höhe von ca. 330.000,00 DM (Eigentum der Eheleute zu je 1/2) sei wirtschaftlich unsinnig, stattdessen sei der Verkauf des Anwesens wie auch des PKW des Antragstellers zumutbar und damit seien die Verfahrenskosten zu bezahlen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet.

Gemäß § 114 ZPO ist einer Partei Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wenn sie nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann. Der Einsatz des Einkommens richtet sich nach § 115 Abs. 1 ZPO; Vermögen ist gemäß § 115 Abs. 2 ZPO – soweit zumutbar – einzusetzen, wobei § 88 BSHG entsprechend heranzuziehen ist.

Gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG darf Sozialhilfe – und damit auch Prozeßkostenhilfe – nicht vom Einsatz und der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstückes, das u.a. vom Hilfesuchenden bzw. seinen Angehörigen bewohnt wird, abhängig gemacht werden. Dem Antragsteller kann damit Prozeßkostenhilfe nicht mit dem Hinweis auf eine Verwertung seines Einfamilienhauses versagt werden. Umstände, daß es sich bei dem Anwesen um kein angemessenes Hausgrundstück im Sinne des § 88 BSHG handelt, sind nicht ersichtlich (vgl. hierzu Zöller/Philippi, ZPO, 20. Aufl., § 114 Rn. 48, 53).

Gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind vom Einkommen einer Partei die Kosten der Unterkunft und Heizung abzuziehen. Hierzu zählen (neben der Miete) auch die Kosten für Fremdmittel beim Bau eines Einfamilienhauses, soweit sie im angemessenen Verhältnis zum Einkommen stehen (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., Rn. 37 a). Abzugsfähig sind damit die laufenden Zahlungen auf Zins- und Tilgung für das eigene Einfamilienhaus, wobei aber nach Ansicht des Senats seit der Geltung des PKH-Änderungsgesetzes eine Kürzung dieser Belastungen um einen fiktiven Mietzins (so MünchKomm/Wax, ZPO, 115 Rn. 25; Zimmermann, ZPO, 2. Aufl. § 115 Rn. 11) nicht mehr in Betracht kommt, weil die neue Vorschrift des § 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als Abzugsposten ausdrücklich Kaltmiete und Heizkosten vorsieht, diese somit nicht mehr mit 18 % (im früheren Grenzbetrag) integriert und damit nach neuem Recht noch nicht berücksichtigt sind.

Hausbaudarlehen sind somit ohne Kürzung in die PKH-Berechnung einzustellen, wobei die Frage, ob die Höhe ihrer monatlichen Rückführung im angemessenen Verhältnis zum Einkommen steht, nicht durch eine bloße Gegenüberstellung von monatlicher Zins- und Tilgungsleistung zum monatlichen Nettoeinkommen des Antragsgegners zu lösen ist, vielmehr es einer Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Situation der bisherigen Familie bedarf. Waren hierbei die wirtschaftlichen Handlungsweisen und Beiträge der einzelnen Familienmitglieder sinnvoll und daher PKH-begünstigt, kann ab Trennung der Familie die vom Antragsteller fortgesetzte Darlehensrückführung nicht bereits mit dem Argument untersagt werden, nunmehr übersteige diese Rückführung (die bis zum Verkauf des Hauses in der Regel vom Kreditinstitut im gleichen Umfang weiter verlangt wird) seine vorhandenen Eigenmittel und sei daher wirtschaftlich unvernünftig, daher nicht mehr prozeßkostenhilfefähig. Vielmehr ist in einer Alternativberechnung festzustellen, welche Aufwendungen und Abzüge der Antragsteller – ohne Rückführung des Hausdarlehens – im Rahmen zu gewährender Prozeßkostenhilfe geltend machen könnte. Ist ...

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