Leitsatz (amtlich)
Zur Geschwindigkeitsbeschränkung für Mehrzweckfahrzeuge -z.B."Sprinter" auf Autobahnen.
Maßgeblich für die Einordnung eines derartigen Fahrzeugs als PKW oder LKW im Sinne der StVO sind dessen konkrete Bauart und Einrichtung. Hierzu muss der Tatrichter Feststellungen treffen.
Für die Frage, ob Mehrzweckfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen der Geschwindigkeitsbeschränkung des § 18 Abs. 5 Nr. 1 StVO unterliegen, hat die Eintragung in den Fahrzeugpapieren als "PKW geschlossen" keine Bedeutung.
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts F. vom 02.03.2004 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht F. zurückverwiesen.
Gründe
I.
Dem Betroffenen wurde mit Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums K.- Zentrale Bußgeldstelle B.n - vom 27.10.2003 vorgeworfen, er habe am 01.10.2003 um 11.05 Uhr auf der Bundesautobahn 5 von Karlsruhe Richtung Basel fahrend als Führer des LKW DB mit dem amtlichen Kennzeichen im Bereich km 746,0 bis km 783,0 die dort für Lastkraftwagen geltende zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 80 km/h um 54 km/h überschritten. Gegen ihn wurden eine Geldbuße in Höhe von 275 Euro sowie ein Fahrverbot von zwei Monaten festgesetzt.
Auf seinen Einspruch hin wurde der Betroffene durch Urteil des Amtsgerichts F. vom 02.03.2004 freigesprochen. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.
II.
Das Rechtsmittel hat vorläufigen Erfolg.
1.
Das Urteil des Amtsgerichts genügt den Anforderungen, die gemäß § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 StPO an den Inhalt der Urteilsgründe zu stellen sind, in mehrfacher Hinsicht nicht:
a.
Für den Inhalt der Urteilsgründe im Bußgeldverfahren gilt grundsätzlich nichts anderes als im Strafverfahren. Zwar unterliegen die Gründe des Urteils in Bußgeldsachen keinen hohen Anforderungen. Sie müssen jedoch so beschaffen sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht ihnen zur Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung entnehmen kann, welche Feststellungen der Tatrichter zu den objektiven und subjektiven Tatbestandselementen getroffen hat (Göhler OWiG 13. Aufl. § 71 Rn. 42 m.w.N.).
Bei einem freisprechenden Urteil müssen die Gründe ergeben (§ 267 Abs. 5 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG), ob der Betroffene für nicht überführt angesehen wird oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat nicht als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden kann. Erforderlich ist zum mindesten ein klares und bestimmtes Auseinanderhalten der tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte. Es bedarf in tatsächlicher Beziehung einer deutlichen Bezeichnung derjenigen Tatsachen, welche das Gericht als nicht erwiesen erachtet, und in rechtlicher Beziehung einer Hervorhebung des Rechtsgrundes, welcher für die Entscheidung bestimmend gewesen ist (Löwe-Rosenberg-Gollwitzer StPO 25. Aufl. § 267 Rn. 148 m.w.N.). Die Urteilsgründe müssen den im Bußgeldbescheid erhobenen Vorwurf und die für erwiesen erachteten Tatsachen mitteilen, sowie anführen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen nicht erwiesen sind, und auf dieser Grundlage den Sachverhalt unter allen für die Entscheidung nach Sachlage vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten erschöpfend würdigen (Löwe-Rosenberg-Gollwitzer a.a.O.; vgl. auch Göhler a.a.O. § 71 Rn. 43). Das Urteil des Amtsgerichts wird diesen Anforderungen nicht gerecht, weil es zu der dem Betroffenen vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit der Geschwindigkeitsüberschreitung keine Feststellungen - sei es in objektiver, sei es in subjektiver Hinsicht - enthält. Die Urteilsgründe beschränken sich unter I. auf die Feststellung, dass der Betroffene am 21.10.2003 Führer des Fahrzeugs Sprinter der Firma Daimler Chrysler mit dem amtlichen Kennzeichen war. Unter II.1. mit der Überschrift "Konkreter Tatvorwurf" führt das Amtsgericht den im Bußgeldbescheid erhobenen Vorwurf mit den dort festgesetzten Rechtsfolgen an. Zusätzlich wird angegeben, dass es sich bei dem geführten Fahrzeug um einen Mercedes-Benz Sprinter mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 4,6 t handele. Unter II.2. folgen mit der Überschrift "Einordnung des konkreten Tatvorwurfs in die allgemeine politische Diskussion um Tempolimits für Sprinter (Kombifahrzeuge)" versehene allgemeine - nicht auf den konkreten Fall bezogene und somit überflüssige - Ausführungen u.a. über die Beteiligung von "Sprinterfahrzeugen" an Verkehrsunfällen, die Verfahrensweise des Regierungspräsidiums K. - Zentrale Bußgeldstelle B. - bei der Ahndung von Geschwindigkeitsüberschreitungen durch "Sprinterfahrzeuge", die Praxis der Polizei bei der Kontrolle derartiger Fahrzeuge und die Reaktion der von den Kontrollen betroffenen Kraftfahrzeugführer. Dem Urteil des Amtsgerichts kann somit nicht entnommen werden, von welchem Sachverhalt es bei seiner Entscheidung, den Betroffenen freizusprechen, ausgegangen...