Leitsatz (amtlich)
1. Die allein sorgeberechtigte Mutter ist nicht nach § 52 Abs. 2 Satz 3 StPO an der Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts ihres minderjährigen Kindes gehindert, wenn sie nicht Beschuldigte, sondern Geschädigte der fraglichen Straftat ist.
2. Von einer Entziehung der Vertretungsmacht nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 Abs. 2 BGB ist abzusehen, wenn trotz eines konkret festgestellten oder erkennbaren Interessenwiderstreits zu erwarten ist, dass der Sorgerechtsinhaber dennoch im Interesse seines Kindes handeln wird.
Normenkette
StPO § 52 Abs. 2 S. 2; BGB § 1629 Abs. 2 S. 3, § 1796 Abs. 2, § 1909
Verfahrensgang
AG Schwetzingen (Beschluss vom 15.02.2012; Aktenzeichen 30 F 9/12) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Schwetzingen vom 15.2.2012 (30 F 9/12) aufgehoben.
Der Antrag der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 15.2.2012 auf Anordnung der Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis "Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts gem. § 52 StPO im Verfahren der Staatsanwaltschaft Mannheim .../12" für J., geb ... 2005, wird zurückgewiesen.
2. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin ist die Mutter des am ... 2005 geborenen minderjährigen J. Z. Sie ist Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge. Leiblicher Vater des Kindes ist deren früherer Freund, D. B., mit dem die Kindesmutter drei weitere jüngere Kinder hat. Seine Vaterschaft hat D. B. bislang nicht förmlich anerkannt.
Die Staatsanwaltschaft Mannheim führt nach einer Strafanzeige der Mutter unter dem Aktenzeichen .../12 ein Ermittlungsverfahren gegen D. B. (im Folgenden: Beschuldigter) wegen gefährlicher Körperverletzung, Vergewaltigung, Entziehung Minderjähriger und Bedrohung. Dem Beschuldigten wird insoweit u.a. vorgeworfen, er habe am 5.11.2011 drei der gemeinsamen Kinder unter gegen sie gerichteten Todesdrohungen gegen den Willen der Mutter mitgenommen und sie erst gegen 23.30 Uhr desselben Tages wieder zurückgebracht. Weiter wird ihm vorgeworfen, er habe die Kindesmutter am 2.1.2012 im Beisein der Kinder gewürgt, so dass diese Todesangst gehabt habe, nicht mehr habe atmen können und für eine nicht näher bestimmte Zeitspanne das Bewusstsein verloren habe; von der Mutter habe der Beschuldigte erst abgelassen, nachdem J. ihn angefleht habe, seine Mutter am Leben zu lassen. Darüber hinaus wird dem Beschuldigten neben weiteren Straftaten vorgeworfen, er habe dem Vater der Kindesmutter am 16.1.2012 aus Verärgerung mit einem Elektroschocker mehrere Stromschläge versetzt.
Am 19.1.2012 hat das AG Mannheim unter dem Aktenzeichen .../12 Haftbefehl gegen den Beschuldigten erlassen.
Die Staatsanwaltschaft beabsichtigt, J. Z. in dem Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten als Zeugen zu den Themenbereichen "Bedrohung/Körperverletzung von März/April 2011", "Entziehung der Kinder vom 5.11.2012", "gefährliche Körperverletzung vom 2.1.2012" und "Besitzverhältnisse am Elektroschocker" richterlich vernehmen zu lassen. Die Mutter hat einer Vernehmung ihres Sohnes J. zugestimmt.
Am 14.2.2012 hat die zuständige Ermittlungsrichterin J. richterlich vernommen, um dessen Verstandesreife und Aussagebereitschaft zu überprüfen. J. hat dabei der Richterin nach (kindgerechter) Erklärung, dass er keine Angaben zu machen brauche und dass man seinen "Papa" möglicherweise aufgrund seiner Aussage bestrafen werde, mitgeteilt, dass er etwas erzählen wolle. Ausweislich des Vermerks der Staatsanwaltschaft vom 15.2.2012 bestand aufgrund des per Video übertragenen Vorgesprächs mit J. bei den Verfahrensbeteiligten übereinstimmend der Eindruck, dass mit Blick auf die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechtes nicht mit Sicherheit von der notwendigen Verstandesreife von J. ausgegangen werden könne.
Mit Antrag vom 15.2.2012 hat die Staatsanwaltschaft beim AG beantragt, für J. Z. eine Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis "Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts gem. § 52 StPO" anzuordnen und das Jugendamt Rhein-Neckar-Kreis, Herrn A., als Ergänzungspfleger zu bestellen.
Der Rechtspfleger des AG hat diesem Antrag mit Beschluss vom 15.2.2012 entsprochen und gem. §§ 1909, 1911 BGB eine Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis "Vertretung des Pflegebefohlenen im Verfahren .../12 der Staatsanwaltschaft Mannheim, insbesondere für die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts" angeordnet; das Jugendamt des Rhein-Neckar-Kreises wurde als Pfleger bestellt. Der Ergänzungspfleger, Herr A., hat in der Folge angekündigt, das Zeugnisverweigerungsrecht auszuüben.
Gegen den Beschluss des Rechtspflegers vom 15.2.2012 hat die Mutter mit Anwaltsschriftsatz vom 1.3.2012, beim AG eingegangen am 5.3.2012, Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt die Mutter aus, die Voraussetzungen für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft lägen nicht vor. Insbesondere sei sie nicht gem. ...