Leitsatz (amtlich)

Entscheidet das Gericht über einen Hilfsantrag des Klägers, findet eine Wertaddition nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG in allen Fällen statt, in denen über den Hilfsantrag entschieden wird, unabhängig davon, ob er als unzulässig abgewiesen oder über den geltend gemachten Anspruch in der Sache entschieden wird.

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Klägers vom 2. September 2020 gegen die im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 14. Februar 2020 - 20 O 114/19 - enthaltene Streitwertfestsetzung wird zurückgewiesen.

2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.188,60 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien stritten über Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag über ein von dem sog. "Abgasskandal" betroffenes Fahrzeug.

Der Kläger hat erstinstanzlich folgende Anträge gestellt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 6.968,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 % seit dem 17.06.2013 bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Hilfsweise:

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs der Marke V. vom Typ S. II 2.0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) ... durch die Beklagte resultieren.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 746,72 Euro freizustellen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. Februar 2020 abgewiesen und den Streitwert auf 9.968 EUR (Antrag Ziff. 1: 6.968 EUR; Hilfsantrag Ziff. 2: 3.000 EUR) festgesetzt. Zur Begründung der Klageabweisung hat es ausgeführt, während der Klageantrag Ziff. 1 zulässig, aber unbegründet sei, sei der Klageantrag Ziff. 2 bereits unzulässig.

Mit bei dem Landgericht am 7. September 2020 eingegangenen Schriftsatz vom 2. September 2020 hat der Kläger gegen die Streitwertfestsetzung Beschwerde eingelegt und beantragt, den Streitwert auf 6.968 EUR festzusetzen. Er ist der Ansicht, der Hilfsantrag Ziff. 1 erhöhe den Streitwert nicht.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 24. September 2020 nicht abgeholfen und die Akte dem Oberlandesgericht vorgelegt.

Mit Schriftsatz vom 11. November 2020 hat der Kläger seine gegen das o.g. Urteil eingelegte Berufung (17 U 211/20) zurückgenommen.

II. Über die Beschwerde hat der Senat zu entscheiden, nachdem ihm das Verfahren von der Einzelrichterin wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen worden ist, § 66 Abs. 6 Satz 2, § 68 Abs. 2 Satz 7 GKG.

Die Beschwerde des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft und innerhalb der Beschwerdefrist eingelegt (vgl. §§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG), wobei der Wert des Beschwerdegegenstands 200 EUR übersteigt (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG). Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG werden in einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, zusammengerechnet. Indes wird gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG ein - wie hier der Antrag Ziff. 2 - hilfsweise geltend gemachter Anspruch mit dem Hauptanspruch (nur) zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Allerdings ist umstritten, ob eine Entscheidung in diesem Sinne auch dann vorliegt, wenn das Gericht den Hilfsantrag als unzulässig abweist und damit über den geltend gemachten Anspruch in der Sache nicht entscheidet.

1. Nach einer Auffassung kommt es für eine Wertaddition darauf an, ob eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über den Hilfsantrag vorliegt (vgl. Kurpart, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, GKG § 45 Rn. 12). Das soll nicht der Fall sein, wenn die Zulässigkeit des Hilfsantrags verneint wird (vgl. Kurpart, aaO mwN; Dörndorfer, in: Bind/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Aufl., § 45 Rn. 19 mwN). Zur Begründung wird auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Hilfsaufrechnung (BGH, Beschluss vom 31. Juli 2001 - XI ZR 217/01 -, juris Rn. 4 mwN) verwiesen, der zufolge die Hilfsaufrechnung den Streitwert nicht erhöht, wenn die Aufrechnung unzulässig ist.

Danach wäre der Wert des Hilfsantrags Ziff. 2 bei der Streitwertfestsetzung nicht erhöhend zu berücksichtigen, da das Landgericht den Hilfsantrag in dem Urteil vom 14. Februar 2020 als unzulässig abgewiesen hat. Es käme weder auf den Umstand an, dass zwischen dem Hilfs- und dem Hauptantrag keine wirtschaftliche Identität iSd § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG bestehen mag, noch wäre von Belang, ob eine - wie das Landgericht meint - von dem Kläger willkürlich gewählte Verknüpfung der beiden Anträge als Haupt- und Hilfsantrag vorläge.

2. Abweichend davon wird die Meinung vertreten, eine Wertaddition finde in allen Fällen nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG statt, in denen über den Hilfsantrag entschieden werde, unabhängig vom Inhalt der Entscheidung (MüKoZPO/Wöstman...

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