Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersetzung der Einwilligung zur Adoption
Leitsatz (amtlich)
Ein unverhältnismäßiger Nachteil im Sinne von § 1748 Abs. 4 BGB liegt bereits dann vor, wenn das Unterbleiben der Adoption für das Kind nachteilig ist und wenn die Abwägung der Interessen des Kindes mit denen des Vaters zu dem Ergebnis führt, dass das Interesse des Kindes an der Adoption überwiegt.
Normenkette
BGB § 1748 Abs. 4
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 werden die Beschlüsse des Amtsgerichts … vom … – … – und des Landgerichts … vom … – aufgehoben.
Die Einwilligung des Vaters (Beteiligter zu 4) in die Annahme des Beteiligten zu 1 als Kind durch den Beteiligten zu 3 wird ersetzt.
2. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1 ist das am 25.02.1992 nichtehelich geborene Kind der Beteiligten zu 2. Er lebt seit seiner Geburt im gemeinsamen Haushalt seiner Mutter und des Beteiligten zu 3, die am 26.09.1994 die Ehe schlossen. Aus dieser Ehe ist am 23.05.1996 ein Sohn … hervorgegangen.
Der Beteiligte zu 4 ist der nichteheliche Vater des Beteiligten zu 1. Er hat am 06.05.1992 gegenüber dem Jugendamt … anerkannt, der Vater des Beteiligten zu 1 zu sein.
Der Beteiligte zu 3 hat als Stiefvater des Beteiligten zu 1 am 20.04.1995 beim Vormundschaftsgericht beantragt, die Annahme des Beteiligten zu 1 als Kind durch ihn, den Beteiligten zu 3, auszusprechen. Die Beteiligte zu 2, die die alleinige elterliche Sorge für den Beteiligten zu 1 inne hat, hat als dessen Vertreterin und als Ehegattin des Beteiligten zu 3 in die Adoption eingewilligt. Der nichteheliche Vater … hat seine Einwilligung verweigert. Daraufhin hat die Mutter im Namen des Kindes beantragt, die Einwilligung des Vaters vormundschaftsgerichtlich zu ersetzen.
Das Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – hat den Antrag, die Einwilligung des Vaters zu ersetzen, durch Beschluß vom 22.09.1998 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Anzunehmenden ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben. Mit seiner weiteren Beschwerde verfolgt der Anzunehmende seinen Ersetzungsantrag weiter.
II.
Die weitere Beschwerde des Anzunehmenden ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidungen des Amts- und des Landgerichts. Dem Antrag, die Einwilligung des Vaters zu ersetzen, ist stattzugeben.
1. Nach § 1748 Abs. 4 BGB ist in Fällen des § 1626 a Abs. 2 BGB die Einwilligung des Vaters vormundschaftsgerichtlich zu ersetzen, wenn das Unterbleiben der Annahme dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
a) Es liegt ein Fall des § 1626 a Abs. 2 BGB vor. Die Kindesmutter hat die alleinige elterliche Sorge.
b) Auch die übrigen formellen Voraussetzungen – Antrag und Einwilligungen der übrigen Beteiligten – sind erfüllt.
c) Nach Auffassung des Senates würde das Unterbleiben der Annahme dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanzen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
aa) Amts- und Landgericht haben zwar einen Nachteil für das Kind bei Unterbleiben der Annahme bejaht, aber die Auffassung vertreten, es fehle am Merkmal der Unverhältnismäßigkeit. Während das Amtsgericht die Unverhältnismäßigkeit des Nachteils verneint hat, weil auf seiten des Vaters kein Versagen im Sinne eines persönlichen Fehlverhaltens vorliege und daher bei der Abwägung von Kindeswohl und Interessen des Vaters eine Adoption nicht geboten erscheine, hat das Landgericht ausgeführt, unverhältnismäßig im Sinne von § 1748 Abs. 4 BGB seien nur solche Nachteile, die über das Maß der bei nichtehelichen Kindern in konfliktbeladenen Verhältnissen üblicherweise auftretenden Unzuträglichkeiten erheblich hinausgehen. Das sei hier nicht der Fall.
bb) Der Senat teilt diese Auslegungen nicht. Bei dem Tatbestandsmerkmal des „unverhältnismäßigen Nachteils” handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung auf den festgestellten Sachverhalt im Verfahren der weiteren Beschwerde unbeschränkt nachprüfbar ist (BayObLG NJW-RR 1994, 903 unter II 2 c. bb. 2).
(1) Zu Unrecht mißt das Amtsgericht der Frage, ob dem Vater ein Fehlverhalten angelastet werden kann, Bedeutung zu. Daß die Ersetzung der Einwilligung des nichtehelichen Vaters kein Versagen oder einen sonstigen – auch unverschuldeten – Eignungsmangel auf dessen Seite voraussetzt, ergibt sich schon zwingend im Wege des Umkehrschlusses aus den Absätzen 1 – 3 des § 1748 BGB. Nach diesen Bestimmungen erfordert die Einwilligungsersetzung – neben einer am Kindeswohl orientierten Interessenabwägung – ein Fehlverhalten oder ein anderes Defizit in der Person des Elternteils, dessen Einwilligung ersetzt werden soll. Hierauf wurde bei der Schaffung von § 1748Abs. 4 BGB bewußt verzichtet. Im Interesse des Schutzbedürfnisses der Kindesmutter sollte das Vormundschaftsgericht die Einwilligung des nichtehelichen Vaters „bereits immer dann ersetzen dürfen, wenn das Unterbleiben der Annahme dem Kind zu un...