Verfahrensgang

AG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 13.02.2017; Aktenzeichen 37 OWi 540 Js 34958/16)

 

Tenor

  1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg im Breisgau vom 13. Februar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
  2. Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Freiburg zurückverwiesen.
 

Gründe

I.

Mit Urteil vom 13.02.2017 verurteilte das Amtsgericht Freiburg im Breisgau den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 37 km/h zu einer Geldbuße von 120,- Euro.

Nach den Feststellungen der angefochtenen Entscheidung hat der Betroffene die Ordnungsmäßigkeit der Geschwindigkeitsmessung mit dem Geschwindigkeitsmessgerät PoliScan Speed bestritten. Er hat sich dabei insbesondere darauf berufen, dass das Messgerät nicht gemäß der Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), Braunschweig und Berlin, aufgestellt worden sei und durch das Gerät zur Messwertbildung in einzelnen Fällen Messwerte herangezogen würden, die außerhalb des von der PTB benannten Messbereichs von 50 Metern bis 20 Metern vor dem Messgerät ermittelt wurden; daher handle es sich aus Sicht des Betroffenen nicht mehr um ein standardisiertes Messverfahren, sodass der Messwert nicht verwertbar sei. Demgegenüber ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die diesbezüglich seitens des Betroffenen beantragte Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung durch einen Sachverständigen nicht erforderlich sei. Zwar sei im vorliegenden Fall ausweislich der "Zusatzdaten" erkennbar, dass für das Messergebnis herangezogene Einzelmesswerte in einem Messbereich zwischen 49,82 Meter und 19,95 Meter vor dem Messgerät ermittelt worden seien. Dies führe jedoch - nach einer Stellungnahme der PTB vom 16.12.2016 - aus technischer Sicht nicht dazu, dass die Messung nicht verwertbar sei. Danach habe die Nichteinhaltung des Messbereichs von 50 Metern bis zu 20 Metern keinerlei Auswirkungen auf die Richtigkeit der Messung.

Gegen diese Entscheidung hat der Betroffene am 15.02.2017 Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit dem Ziel der Freisprechung, hilfsweise der Zurückverweisung der Sache, gestellt und zu dessen Begründung rechtzeitig - unter anderem - erneut seine Einwände gegen die Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung vorgetragen sowie die Rechtsbeschwerde selbst mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts und im Einzelnen ausgeführten Verfahrensrügen begründet. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat am 18.04.2017 beantragt, den Antrag als unbegründet zu verwerfen. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde durch den Einzelrichter mit Beschluss vom 11.05.2017 zur Ermöglichung der Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts (§§ 79 Abs. 1 S. 2, 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) zugelassen und dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§ 80a Abs. 1, 3 OWiG); zugleich wurde dem Verteidiger Gelegenheit zur Stellungnahme zur Berücksichtigung der (aktuellen) Veröffentlichung der PTB zum Thema: "Antworten auf häufige Fragen zum Laserscanner-Geschwindigkeitsüberwachungsgerät PoliScan Speed der Firma Vitronic" (Stand: 12.01.2017, DOI: 10.7795/520.20161209B, im Folgenden: Antworten) eingeräumt.

II.

Der Rechtsbeschwerde kann mit der Sachrüge, die die umfassende Überprüfung des Urteils gebietet, ein - zumindest vorläufiger - Erfolg nicht versagt bleiben. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Angesichts dessen kommt es auf die weiter geltend gemachten Verfahrensrügen nicht mehr an.

1. Der Fall gibt dem Senat zunächst Veranlassung, zu der über den zu entscheidenden Fall hinausreichenden und durch obergerichtliche Rechtsprechung noch nicht abschließend (vgl. allerdings OLG Zweibrücken DAR 2017, 211) geklärten Frage Stellung zu nehmen, welche Auswirkungen es auf die Gültigkeit der Messwertbildung hat, wenn bei der Geschwindigkeitsmessung mit dem Messgerät PoliScan Speed der Firma Vitronic aufgrund der von dem Gerät beim Messprozess aufgezeichneten Ortskoordinaten nicht ausgeschlossen werden kann, dass außerhalb des nach der Bauartzulassung der PTB vorgeschriebenden Messbereichs (50 Meter bis 20 Meter) liegende Einzelmessungen in den Messwert eingeflossen sind (zur vorliegend auf die Sachrüge gebotenen Überprüfung vgl. nur OLG Bamberg DAR 2014, 38, [...] Rn. 18).

a. Der Senat hält an seiner ständigen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (u.a. OLG Zweibrücken a.a.O.; KG NStZ-RR 2016, 27; OLG Bamberg DAR 2014, 38; OLG Köln, Beschluss vom 11.09.2015 - 1 RBs 172/15, [...]; OLG Koblenz, Beschluss vom 13.05.2016 - 2 OWi 4 SsRs 128/15, [...]) stehendenRechtsprechung fest, dass es sich bei der Geschwindigkeitsmessung mit PoliScan Speed generell um ein standardisiertes Messverfahren (BGHSt 39, 291; 43, 277) handelt (Senat VRS 127, 241; NJW-Spezial 2015, 523 und Beschluss vom 10.07.2015 - 2 (6) SsBs 368/15, [...]).

Nac...

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