Leitsatz (amtlich)
Bei der Rücknahme einer vorwiegend zur Fristwahrung eingelegten Beschwerde ist die ermäßigte Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG-VV zu erstatten, wenn der Beschwerdegegner seinen Verfahrensbevollmächtigten bereits vor der Rücknahme des Rechtsmittels für das Beschwerdeverfahren beauftragt hat, dieser eine gebührenauslösende Tätigkeit wahrgenommen hat und wenn ein verständiger und wirtschaftlich denkender Beteiligter die die Kosten auslösende Maßnahme als sachdienlich ansehen durfte.
Normenkette
FamFG § 113 Abs. 1; ZPO §§ 91, 104, 516 Abs. 3; RVG-VV Nr. 3201
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Aktenzeichen 1 F 1204/16) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe vom 25.07.2017 (Az.: 1 F 1204/16) wie folgt abgeändert
Die von der Antragsgegnerin dem Antragsteller zu erstattenden Kosten für das Beschwerdeverfahren werden in Höhe von 687,46 EUR festgesetzt.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 687,46 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit der sofortigen Beschwerde erstrebt der Antragsteller die Festsetzung der ihm in einem Beschwerdeverfahren entstandenen Anwaltskosten.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind geschiedene Eheleute. Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe vom 03.03.2017 ist die am ... 2010 geschlossene Ehe geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt worden.
Gegen die ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 08.03.2017 zugestellte Entscheidung hat die Antragsgegnerin mit Telefax vom 24.03.2017 Beschwerde eingelegt. In der Beschwerdeschrift heißt es:
"Die Einlegung der Beschwerde erfolgt zunächst vor allem zur Fristwahrung. Die Ehefrau ist sich nicht mehr sicher, ob sie tatsächlich geschieden werden möchte bzw. ob man sich wieder versöhnen kann."
Mit Verfügung des Amtsgerichts vom 28.03.2017 ist die Beschwerdeschrift an den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers formlos übersandt worden.
Die Beschwerde vom 24.03.2017 ist dem Verfahrensbevollmächtigten am 10.04.2017 zugestellt worden. Mit Telefax vom 11.04.2017 hat die Antragsgegnerin die Beschwerde zurückgenommen. Mit Telefax vom gleichen Tag hat sie den Verfahrensbevollmächtigten über die Beschwerderücknahme informiert. Mit Telefax vom 12.04.2017 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers dessen Vertretung in 2. Instanz angezeigt und ist der Beschwerde entgegengetreten.
Mit Beschluss des Senats vom 18.04.2017 sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Antragsgegnerin auferlegt worden.
Die Beteiligten streiten im hier anhängigen Beschwerdeverfahren darüber, ob die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die im Beschwerdeverfahren entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 687,46 EUR zu erstatten.
Mit Beschluss vom 25.07.2017 hat das Amtsgericht den Antrag auf Festsetzung der Anwaltsgebühren zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass für die Bestellung eines Rechtsanwalts kein Anlass bestanden habe. Die Beschwerde sei nur zur Fristwahrung eingelegt worden. Eine Begründung und ein Antrag seien nicht eingereicht worden. Es sei nicht mehr notwendig gewesen, die Verteidigung anzuzeigen, da bereits vor Absendung dieses Schreibens die Beschwerderücknahme bekannt gewesen sei.
Gegen die seinem Verfahrensbevollmächtigten am 27.07.2017 zugestellte Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner mit Telefax vom 09.08.2017, eingegangen am 10.08.2017, eingelegten sofortigen Beschwerde. Er bringt vor, dass nach der Rechtsprechung des BGH auch bei einem nur zur Fristwahrung eingelegten Rechtsmittel grundsätzlich sofort ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden dürfe. Das Telefax vom 11.04.2017 und die darin enthaltene Beschwerderücknahme seien dem Verfahrensbevollmächtigten erst am 12.04.2017 vorgelegt worden. Der Auftrag zu einem Tätigwerden sei deutlich vor der Beschwerderücknahme erfolgt und die Gebühr gemäß Nr. 3201 VV RVG entstehe auch ohne dass eine Vertretung angezeigt werde. Die Beschwerde der Antragsgegnerin habe auch eine kurze Begründung enthalten. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts sei sachdienlich gewesen.
Die Antragsgegnerin verteidigt die angegriffene Entscheidung. Sie ist der Auffassung, dass eine erstattungsfähige Verfahrensgebühr nur dann entstehe, wenn in einem noch anhängigen Rechtsmittelverfahren ein entsprechender Antrag oder eine Vertretungsanzeige erfolge. Sie bestreite, dass die Beschwerdeschrift bereits am 30.03.2017 übermittelt worden und dem Verfahrensbevollmächtigten ein Auftrag zum Tätigwerden in der Beschwerdeinstanz erteilt worden sei.
II. 1. Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ff. ZPO zulässig.
2. In der Sache hat sie Erfolg und führt zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Die Antragsgegnerin geht im Ansatz zutreffend davon aus, dass die durch die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Berufungsrücknahme entstandenen Kosten eines Rec...