Entscheidungsstichwort (Thema)
Einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht bzgl. COVID19-Immunität und ihre Bußgeldbewehrung. Infektionsschutzgesetz. Bußgeld gegen Mitarbeiterin einer Arztpraxis wegen Nichtvorlage des vom Gesundheitsamt angeforderten Impf- oder Genesenennachweises recht- und verfassungsmäßig
Leitsatz (amtlich)
1. Bei den bis zum 31.12.2022 befristeten Regelungen zur einrichtungsbezogenen Nachweispflicht in §§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. h), Abs. 2 Stz 1, Abs. 5 Satz 1, 73 Abs. 1a Nr. 7h IfSG in der vom 12.12.2021 bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung handelt es sich um Zeitgesetze im engeren Sinne, die gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 OWIG nachwirken und auf die die Meistbegünstigungsklausel des § 4 Abs. 3 OWiG keine Anwendung findet.
2. Die Tatsache, dass ein Betroffener über keinen Nachweis im Sinne von § 20a Abs. 2 Satz 1 in der vom 12.12.2021 bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung verfügte, ist für die Bußgeldbewehrung ohne Belang.
3. Die Bußgeldbewehrung in § 73 Abs. 1a Nr. 7h IfSG in der vom 12.12.2021 bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung ist unabhängig davon, ob das Gesundheitsamt ein Betretens- oder Tätigkeitsverbot erteilt hat oder nicht.
Normenkette
IfSG § 20a Abs. 5, § 73 Abs. 1a Nr. 7h
Verfahrensgang
AG Heidelberg (Entscheidung vom 20.01.2023; Aktenzeichen 15a OWi 230 Js 24145/22) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 20. Januar 2023 wird mit der Maßgabe als offensichtlich unbegründet verworfen, dass die Liste der angewandten Vorschriften wie folgt neu gefasst wird:
§§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. h), Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1, 73 Abs. 1a Nr. 7h, Abs.2 IfSG in den jeweils geltenden Fassungen vom 12.12.2021 bis 31.12.2022
- Die Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht H. hat die Betroffene am 20.01.2023 wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen die in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit h), Abs.2 Satz 1 und Abs. 5 in der zum Zeitpunkt der ihr zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit geltenden Fassung geregelte Pflicht zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises oder eines ärztlichen Zeugnisses darüber, dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden kann, trotz Aufforderung durch das Gesundheitsamt hierzu, zu einer Geldbuße von 300,00 Euro verurteilt. Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen arbeitete die Betroffene zum Tatzeitpunkt als Arzthelferin in einer Praxis. Sie hatte ihrem Arbeitgeber keinen Nachweis über eine Impfung, Genesung oder medizinische Kontraindikation vorgelegt. Deshalb meldete ihr Arbeitgeber sie dem Gesundheitsamt. Mit Schreiben vom 12.04.2022 forderte das Gesundheitsamt des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis die Betroffene auf, innerhalb von zwei Wochen ab Zugang des Schreibens einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Die Betroffene, die zu diesem Zeitpunkt weder geimpft noch genesen war, legte den geforderten Nachweis nicht vor.
Gegen ihre Verurteilung wendet sich die Betroffene mit der auf die allgemeine Sachrüge gestützten Rechtsbeschwerde. Sie macht insbesondere geltend, § 20a IfSG sei über den 31.12.2022 hinaus nicht verlängert worden, weil sich der Gesetzgeber zu der getroffenen Regelung aufgrund eines Wandels der Rechtsüberzeugung nicht mehr bekenne. Es greife deshalb das Meistbegünstigungsprinzip des § 4 Abs. 3 OWiG. Da der Gesetzgeber mit der zugrundeliegenden Regelung in § 20a IfSG gerade keine Impfpflicht habe statuieren wollen, habe das Amtsgericht die Verhängung des Bußgeldes offenbar daran geknüpft, dass die Betroffene ihre Tätigkeit ohne Impfung fortgesetzt habe. Dies sei unzulässig, weil seitens des Gesundheitsamtes kein Tätigkeitsverbot ausgesprochen worden sei. Die Betroffene sei arbeitsvertraglich zu einer Fortführung ihrer Tätigkeit verpflichtet gewesen. Im Übrigen rügt die Rechtsbeschwerde die Höhe des verhängten Bußgeldes
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 13.04.2022 beantragt, die Rechtsbeschwerde der Betroffenen durch Beschluss gem. §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die gem. § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die angefochtene Entscheidung war nur bezüglich der Liste der angewandten Vorschriften (§§ 71 Abs. 1 OWiG, 260 Abs. 5 Satz 1 StPO) in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang neu zu fassen (zur Statthaftigkeit siehe BGH, Beschluss vom 31. Mai 2022 - 3 StR 122/22 -, juris Rn. 32).
Dies erfolgt unter Berücksichtigung der - zur Zeit des gegen die Betroffene erhobenen Tatvorwurfs - maßgebenden §§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. h), Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1, 73 Abs. 1a Nr. 7h IfSG in den jeweils geltenden Fassungen vom 12.12.2021 bis zum 31.12.2022 (im Folgenden: a. F.). Demnach war die Betroffene als in einer Praxis beschäftigte Arzthelferin (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. h IfSG a. F.) verpflichtet, dem zuständigen Gesundheitsamt auf die ...