Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehescheidung. Prozeßkostenhilfe
Verfahrensgang
AG Heidelberg (Beschluss vom 13.10.1998; Aktenzeichen 34 F 10/98) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Heidelberg vom 13. Oktober 1998 – 34 F 10/98 – aufgehoben.
Die erneute Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch der Antragstellerin wird dem Amtsgericht übertragen.
Gründe
Ein Ehescheidungsantrag der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner am 15. Februar 1988 zugestellt. Das durch diesen eingeleitete Scheidungsverfahren ruhte sodann, ohne daß der Antragsgegner zum Scheidungsantrag mündlich verhandelt hätte, bis der Antragsgegner das Verfahren am 23. Januar 1998 wieder anrief.
Am 12. Mai 1998 beantragte die Antragstellerin mit vollständigem Gesuch, ihr Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Sie vertrat den Standpunkt, daß als Ehezeitende im versorgungsausgeichsrechtlichem Sinne nach Treu und Glauben das Ende des Monats, der der Zustellung des „jetzigen Ehescheidungsantrags des Antragsgegners” (gemeint: des das Verfahren wieder anrufenden Schriftsatzes) voranging. Dem widersprach der Antragsgegner und beharrte auf einem Ehezeitende zum 31. Januar 1988. Daraufhin nahm die Antragstellerin ihren Scheidungsantrag mit am 01. Juli 1998 dem Antragsgegner zugestellten Schriftsatz zurück, bevor der Antragsgegner am 09. Juli 1998 einen eigenen Ehescheidungsantrag einreichen konnte.
Das Prozeßkostenhilfegesuch der Antragstellerin wies das Amtsgericht mit der Begründung zurück, die Antragstellerin habe bereits bei Stellung ihres Prozeßkostenhilfeantrages nicht mehr beabsichtigt, ihren Scheidungsantrag weiter zu verfolgen. Dementsprechend habe sie diesen, noch bevor über die Prozeßkostenhilfe habe entschieden werden können, auch zurückgenommen. Für die Rücknahme eines Antrages, insbesondere durch einen zweiten Prozeßbevollmächtigten, sei Prozeßkostenhilfe nicht zu bewilligen.
Das Rechtsmittel der Antragstellerin hat Erfolg.
1. Der Senat muß zu den von dem Amtsgericht dem angefochtenen Beschluß beigegebenen Gründen nicht Stellung nehmen:
- ob für die Rücknahme eines Scheidungsantrages noch Prozeßkostenhilfe bewilligt werden kann; dies scheint schon deshalb nicht gänzlich ausgeschlossen, weil die Rücknahme eines Scheidungsantrages als grundsätzlich begrüßenswertes, ehefreundliches Verhalten auch als Rechtsverfolgung angesehen werden kann und weil die Rücknahme nur durch einen Rechtsanwalt erklärt werden kann.
- ob es für die Beurteilung, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung einer Partei Aussicht auf Erfolg hat, auf den Zeitpunkt der Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch ankommt (hier: 13. Oktober 1998), oder auf den Zeitpunkt, zu dem das Prozeßkostenhilfegesuch vollständig vorgelegt wurde (hier: 12. Mai 1998). Von einem Grundsatz, daß es auf den Zeitpunkt der Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch ankommt, hat der Senat schon verschiedentlich Ausnahmen gemacht: so etwa für den Fall, daß der Klageanspruch erfüllt wurde, bevor über das Prozeßkostenhilfegesuch entschieden werden konnte (Beschluß vom 17. September 1987 – 16 WF 169/87 – FamRZ 1988, 737), oder für den Fall, daß das Gericht durch verzögerliche Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch einen Vertrauenstatbestand erschaffen hat, der es verbietet, dem Kläger anschließend Prozeßkostenhilfe zu verweigern (Beschluß vom 31. August 1989 – 16 WF 142/89 – FamRZ 1990, 80).
2. Der vorliegende Fall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, daß die Antragstellerin befürchten mußte, wegen des Versorgungsausgleichs an einem für sie wohl ungünstigen Ende der Ehezeit zum 31. Januar 1988 festgehalten zu werden, sich also insoweit als frühere Scheidungsantragsstellerin in einer Verteidigungslage befand. Die schleunige Rücknahme ihres Scheidungsantrages war deshalb das einzig richtige Verhalten: es führte, sei es als Rechtsverfolgung bezeichnet oder als Rechtsverteidigung, zu dem gewünschten Erfolg, daß der Antragstellerin nicht rund zehn Jahre für den Versorgungsausgleich verloren gehen würden. Daß die Rücknahme des Scheidungsantrages in dieser Lage das einzig zweckmäßige Verhalten ist, weiß die rechtsunkundige Partei in der Regel nicht. Ihr Prozeßkostenhilfe zu versagen, würde deshalb bedeuten, daß dieses Verhalten nur der bemittelten Partei, nicht aber der bedürftigen Partei möglich wäre. Auch aus diesem Grund ist die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe geboten.
Das Amtsgericht hat die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe noch nicht geprüft. Es wird deshalb die erneute Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch der Antragstellerin dem Amtsgericht übertragen.
Unterschriften
Schäfer Vors. Richter am Oberlandesgericht, Dr. Hülsmann Richter am Oberlandesgericht, Schneider-Mursa Richter am Oberlandesgericht
Fundstellen
Haufe-Index 1498285 |
FamRZ 2000, 1020 |
FuR 2000, 392 |
OLGR-KS 2000, 226 |