Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ermäßigung der Gerichtsgebühren nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 19 a zum Einigungsvertrag tritt, wenn der Kostenschuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand im Beitrittsgebiet hat, unabhängig davon ein, vor welchem deutschen Gericht die Gerichtsgebühren anfallen (übereinstimmend mit BGH, Beschluss vom 14.11.1995, VI ZR 408/94; entgegen OLG Stuttgart, Beschluß vom 14.5.1996, 8 W 74/96).

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Klägerin werden der Beschluss des Landgerichts Heidelberg vom 3. Mai 2001 und der Kostenansatz vom 30. März 2001 aufgehoben.

Es sind keine Gerichtskosten mehr zu entrichten.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Die Klägerin hat ihren Sitz in. Sie nahm den Beklagten vor dem Landgericht Heidelberg auf Schadensersatz in Höhe von 97.430,39 DM nebst Zinsen in Anspruch. Das gegen den Beklagten ergangene Versäumnisurteil ist zwischenzeitlich rechtskräftig.

Die Klägerin hatte aus einem Streitwert von 97.430,00 DM Gerichtskosten in Höhe von 2.578,50 DM (2.865,00 DM abzüglich 10 %) vorausbezahlt. Der Beklagte als primärer Kostenschuldner ist pfandlos. Mit Kostenrechnung vom 30.03.2001 wurde deshalb die Klägerin von der Landesoberkasse Baden-Württemberg aufgefordert, weitere 286,50 DM an Gerichtskosten zu entrichten.

Gegen den Kostenansatz hat die Klägerin Erinnerung eingelegt, die das Landgericht Heidelberg mit Beschluss vom 03.05.2001 zurückgewiesen hat. Es hat die Auffassung vertreten, die im Einigungsvertrag geregelte Gebührenermäßigung beziehe sich auf Gerichtsgebühren im Beitrittsgebiet; nach Wortlaut und System des Einigungsvertrages sei eine Erstreckung der Gebührenermäßigung auf die alten Bundesländer nicht beabsichtigt gewesen. Die gegenteilige Ansicht des Bundesgerichtshofs biete keinen hinreichenden Anlass, von dieser Meinung abzurücken.

Gegen den Beschluss hat die Klägerin „sofortige Beschwerde” eingelegt. Sie meint nach wie vor, die im Einigungsvertrag bestimmte Gebührenermäßigung gelte auch für Verfahren vor einem Gericht in Baden-Württemberg. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf ihren Schriftsatz vom 15.05.2001 Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Der Beklagte hat zu den Rechtsbehelfen der Klägerin keine Stellung genommen.

II.

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Heidelberg vom 03.05.2001 ist nach § 5 Abs. 2 GKG zulässig. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Nach inzwischen herrschender Auffassung, der sich der erkennende Senat anschließt, ist es für die Gebührenermäßigung nach Art. 8 in Verbindung mit Anlage I Kapitel II Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 19 a des Einigungsvertrages unerheblich, ob das Verfahren vor einem Gericht der alten oder neuen Bundesländer statt findet (BGH MDR 1996, 205; OLG Nürnberg MDR 1998, 371; OLG Köln VersR 1995, 435; OLG Koblenz, VersR 1996, 605; OLG Düsseldorf DtZ 1995, 295; Kammergericht JurBüro 1993, 149; Markl/Meyer, Kommentar zum GKG, 4. Aufl., 2001, § 12 Rdnr. 32; Hartmann, Kostengesetze, 30. Aufl., 2001, § 11; anderer Ansicht: OLG Hamm MDR 1997, 205: OLG München MDR 1996, 749; OLG Stuttgart MDR 1996, 269).

Nach Art. 8 in Verbindung mit Anlage I Kapitel II Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 19 a des Einigungsvertrages ermäßigen sich die Gebühren um 10 %, wenn der Kostenschuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand im Beitrittsgebiet hat; die Ermäßigung erstreckt sich auf andere Kostenschuldner, die als Zweitschuldner gem. § 58 Abs. 2 GKG in Anspruch genommen werden.

1. Die Klägerin erfüllt die personalen Voraussetzungen für die Gebührenermäßigung. Sie hat ihren Firmensitz in, mithin im Bundesland Sachsen.

2. In Rechtsprechung und Rechtslehre ist umstritten, ob die Kostenermäßigung auch dann gilt, wenn das gerichtliche Verfahren vor einem Gericht in den alten Bundesländern statt findet. Dafür sprechen Wortlaut, Motiv und Zweck der Gebührenermäßigung.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 14.11.1995 (MDR 1996, 205) ausgeführt, mit der im Einigungsvertragsgesetz enthaltenen klaren gesetzlichen Regelung sei die Auffassung, dass sich die Gebührenermäßigung auf Gebühren und Kosten im Beitrittsgebiet beschränke, nicht vereinbar. Die Regelung stelle nämlich für die Gebührenermäßigung allein darauf ab, ob der Kostenschuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand im Beitrittsgebiet hat (ebenso: OLG Düsseldorf DtZ 1995, 295, 296; OLG Köln VersR 1995, 435, 436). Nicht der territoriale Geltungsbereich der gesetzlichen Regelung, sondern der Kreis der Normadressaten werde für die Gebührenermäßigung begrenzt. Damit sei es für die Anwendung der Ermäßigungsvorschrift ohne Belang, ob der Rechtsstreit vor den Gerichten in den neuen oder den alten Bundesländern anhängig gewesen sei. Ziel der Ermäßigung sei es nämlich gewesen, den abweichenden Lebensverhältnissen, insbesondere den Vermögens- und Einkommensverhältnissen in der früheren DDR Rechnung zu tragen.

Die hier...

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