Leitsatz (amtlich)
1.
Der Erlass eines Auslieferungshaftbefehls ist abzulehnen, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Auslieferung des Verfolgten wegen Bestehens eines Auslieferungshindernisses nicht zulässig sein wird.
2.
Der Entscheidung der Verwaltungsbehörde, einen Verfolgten als politischen Flüchtling anzuerkennen oder bei diesem ein Abschiebehindernis in den ersuchenden Staat anzunehmen, kommt für das Auslieferungsverfahren indizielle Wirkung bei. Deren Bedeutung und Gewicht hängt dabei maßgeblich davon ab, welche Gründe der Verfolgte im Asylverfahren zur Begründung seiner politischen Verfolgung angegeben hat (Fortführung von Senat NStZ-RR 2004, 218 f. = StV 2004, 445 ff. = InfAuslR 2004, 249 ff. = AuAS 2004, 164 ff.).
Tenor
Der Erlass eines Auslieferungshaftbefehls wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Republik der Türkei hat mit Verbalnote vom 15.5.2007 um die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung ersucht. Dem Ersuchen sind ein Haftbefehl des Schwurgerichts in I./Türkei vom 19.2.2007, eine zusammenfassende Schilderung des Sachverhalts dieses Gerichts vom 11.4.2007, eine Anklageschrift der Leitenden Oberstaatsanwaltschaft des Staatssicherheitsgerichts in I./Türkei vom 21.12.1993 sowie die anwendbaren türkischen Strafvorschriften beigefügt. Dem Verfolgten wird im wesentlichen vorgeworfen, als Mitglied der Terrororganisation PKK gemeinsam mit anderen Angehörigen dieser Vereinigung am 24.8.1993 auf der Straße B. die Tankstelle Iz. am 25.8.1993 auf der Straße B. die Tankstelle Ö. und am 4.9.1993 in der Provinz A. die Tankstelle V. beraubt zu haben, was die türkischen Justizbehörden unter dem Gesichtspunkt eines Staatsschutzdeliktes nach Art. 125 des türkischen Strafgesetzbuches verfolgen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat am 3.7.2007 unter Hinweis auf die ausländerrechtliche Situation des am 14.7.2001 in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten Verfolgten den Erlass eines Auslieferungshaftbefehls beantragt.
II.
Dem Antrag auf Erlass eines Auslieferungshaftbefehls konnte nicht entsprochen werden, weil nach vorläufiger Beurteilung eine Auslieferung des Verfolgten in die Türkei aufgrund des dortigen Auslieferungsersuchens vom 15.5.2007 nicht mit Wahrscheinlichkeit in Betracht kommen wird (§ 15 Abs.2 IRG). Nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen liegt nämlich ein Auslieferungshindernis nach § 73 IRG i.V.m. Art 3 EMRK und Art 1 Abs.1, Art. 2 Abs.2 GG vor.
1.
Eine Auslieferung ist dann unzulässig, wenn begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dem Verfolgten im ersuchenden Staat die Gefahr droht, gefoltert oder in anderer Weise menschenrechtswidrig behandelt zu werden (BVerfG NStZ 2001, 100 f.; Senat StV 2004, 442 ff. = NStZ-RR 2004, 345 ff.; OLG Koblenz StV 2002, 87; KG StV 1996, 103 ff.; Wolff StV 2004, 154 ff, 159; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2007, Art. 3 MRK Rn. 1 ff.; zum Begriff der Folter vgl. das Internationale Übereinkommen gegen Folter und andere grausame unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Strafe vom 10.12.1984, BGBl. 1990 II, S. 246, 1993 II, S. 715, 1996 II, S. 282). Gleiches gilt, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Verurteilung des Verfolgten auf einem Geständnis beruht, das durch Folter erzwungen worden ist (vgl. hierzu jüngst OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.5.2007, 3 Ausl 87/06 und OLG Jena NJW 2007, 1700 f.), oder durch Folter erzwungene Aussagen anderer Personen zur Überführung des Verfolgten dienen sollen. Hinsichtlich drohender Folter reicht es allerdings nicht aus, dass eine menschenrechtswidrige Behandlung aufgrund früher bekannt gewordener Vorfälle nicht ausgeschlossen werden kann, vielmehr muss unter Berücksichtigung des wachsenden Interesses der Nationen, flüchtige Tatverdächtige der Heimatjustiz zu übergeben, ein echtes Risiko unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Bestrafung bestehen (BVerfG, Beschluss vom 29.05.1996, 2 BvR 66/96). Ein besondere Schwierigkeit in der Beurteilung besteht dann, wenn dem ersuchenden Staat - wie der Türkei - eine Bekämpfung solcher tatsächlich vorkommender Misshandlungen ein echtes Anliegen ist (vgl. Wolff a.a.O, 159). Bleiben trotz durchgeführter Aufklärungsmöglichkeiten Zweifel, ob dem Verfolgten im Falle seiner Auslieferung die Folter droht, gehen diese zugunsten des Verfolgten (Senat a.a.O., KG a.a.O.).
2.
Aus den nach Eingang des Haftbefehlsantrags der Generalstaatanwaltschaft vom Senat beigezogenen Akten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ergibt sich, dass diese Behörde aufgrund Urteils des Verwaltungsgerichts F./Deutschland vom 13.8.2003 bezüglich des Verfolgten mit Bescheid vom 27.11.2003 ein Abschiebehindernis nach § 53 Abs.1 und 4 AuslG a.F. in Bezug auf die Türkei anerkannt hat, so dass der Verfolgte derzeit nicht in sein Heimatland abgeschoben werden darf. Das Verwaltungsgericht F. ist bei seiner Entscheidung dabei davon ausgegangen, dass dem Verfolgten wegen seiner Mitgliedschaft in der PKK im Falle seiner Rückkehr in die Türkei mit erheblicher Wa...