Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anspruch des Testamentsvollstreckers gegen die Vermächtnisnehmerin auf Freistellung des Nachlasses von der Erbschaftssteuer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem Testamentsvollstrecker steht kein Anspruch gegen die Vermächtnis-nehmerin auf Freistellung des Nachlasses von der Erbschaftssteuer zu, solange eine eventuelle Verpflichtung des Nachlasses gegenüber dem Fi-nanzamt nicht fällig ist, weil eine Steuerfestsetzung gegen den Nachlass nicht erfolgt ist.

2. Wird die Steuerfestsetzung des Finanzamts gegen die Vermächtnisnehme-rin dem Testamentsvollstrecker gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bekannt gemacht, hat dies keine rechtlichen Wirkungen im Verhältnis des Finanz-amts zum Nachlass.

3. Ob das Finanzamt auch den Nachlass gem. § 20 Abs. 3 ErbStG für die von der Vermächtnisnehmerin zu zahlende Erbschaftssteuer in Anspruch nehmen kann, bleibt offen.

 

Normenkette

BGB §§ 257, 426 Abs. 1 S. 1, § 2185; ErbStG § 20 Abs. 3, § 32 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 15.05.2015; Aktenzeichen B 3 O 231/14)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird das Urteil des LG Konstanz vom 15.5.2015 - B 3 O 231/14 - im Kostenpunkt wie folgt abgeändert:

Die Kosten des Verfahrens vor dem LG tragen der Kläger zu 85 % und die Beklagte zu 15 %.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am 8.2.2013 verstorbenen W. L.. Der Kläger handelt im Prozess als Testamentsvollstrecker über den Nachlass. Die Beklagte ist Vermächtnisnehmerin. Im notariellen Testament vom 13.2.2004 hatte der Erblasser verfügt, dass die Beklagte bei seinem Tod eine Eigentumswohnung erhalten sollte.

Nach dem Tod des Erblassers bot der Kläger der Beklagten die Erfüllung des Vermächtnisses durch Abschluss eines notariellen Vertrages an. Am 18.11.2014 gab er eine notarielle Erklärung zum Abschluss eines Vermächtniserfüllungsvertrages ab. Dabei war in den vertraglichen Erklärungen vorgesehen, dass die Erbschaftssteuer im Innenverhältnis zum Kläger bzw. zum Nachlass von der Beklagten allein getragen werden sollte. Der Vollzug des Eigentumswechsels sollte davon abhängen, dass die Erbschaftssteuer i.H.v. 69.000 EUR von der Beklagten vollständig bezahlt war. Der Vermächtniserfüllungsvertrag kam nicht zustande, da die Beklagte mit den Regelungen zur Erbschaftssteuer nicht einverstanden war.

Mit Bescheid vom 7.11.2014 hatte das Finanzamt gegen die Beklagte wegen des Vermächtnisses die Erbschaftssteuer auf 69.000 EUR festgesetzt. Der Bescheid wurde unter Hinweis auf § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG dem Kläger "als Testamentsvollstrecker mit Wirkung für und gegen die Vermächtnisnehmerin" (die Beklagte) bekanntgegeben.

Im Verfahren vor dem LG haben die Parteien verschiedene wechselseitige Ansprüche geltend gemacht. Unter anderem hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Nachlass des Verstorbenen von einer Erbschaftssteuerforderung des Finanzamts i.H.v. 69.000 EUR nebst Zinsen freizustellen. Die Beklagte ist dieser Forderung zunächst entgegengetreten.

Am 6.2.2015 - während des laufenden Verfahrens vor dem LG - hat die Beklagte die Erbschaftssteuer i.H.v. 69.000 EUR bezahlt. Daraufhin haben die Parteien den Rechtstreit wegen des ursprünglichen Freistellungsantrags übereinstimmend für erledigt erklärt. Verschiedene andere - geringere - Zahlungsansprüche sind streitig geblieben.

Mit Urteil vom 15.5.2015 hat das LG über die streitigen Zahlungsansprüche entschieden. In der Kostenentscheidung hat das LG dem Kläger 15 % und der Beklagten 85 % der Kosten auferlegt. Dabei hat das LG zum einen das wechselseitige Obsiegen und Unterliegen der Parteien bei den streitigen Zahlungsansprüchen berücksichtigt. Über den überwiegenden Teil der Kosten hat das LG unter Anwendung von § 91a Abs. 1 ZPO entschieden im Hinblick auf die Erledigung des ursprünglichen Freistellungsantrags wegen der Erbschaftssteuer. Insoweit seien die Kosten der Beklagten aufzuerlegen. Denn der Freistellungsanspruch sei ursprünglich begründet gewesen. Wenn der Antrag des Klägers sich nicht durch die Zahlung der Beklagten i.H.v. 69.000 EUR an das Finanzamt erledigt hätte, wäre die Beklagte wegen des Freistellungsantrags unterlegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil vom 15.5.2015 Bezug genommen. Den Streitwert hat das LG mit Beschluss vom selben Tag auf 94.474,61 EUR festgesetzt.

Gegen die Kostenentscheidung im Urteil des LG richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten. Das LG habe § 91a Abs. 1 ZPO fehlerhaft angewendet. Wegen des erledigten Freistellungsantrags des Klägers seien die Kosten von diesem zu tragen, da dem Kläger von Anfang an kein Freistellungsanspruch zugestanden habe. Es habe für den geltend gemachten Anspruch keine rechtliche Grundlage gegeben.

Der Kläger tritt der sofortigen Beschwerde entgegen.

Das LG hat mit Beschluss vom 24.7.2015 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - zur Entscheidung vorgelegt...

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