Leitsatz (amtlich)
1. Der in § 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB bestimmte Grenzwert von – jetzt – 3000 [euro] bezieht sich nicht auf die einzelne Verfügung, sondern auf den Gesamtanspruch, so dass es auch bei Verfügungen über ein Girokonto mit über diesem Betrag liegenden Guthaben grundsätzlich der Genehmigung des Gegenvormundes/Vormundschaftsgerichtes bedarf.
2. Ob – unabhängig von der Höhe des Guthabens – Verfügungen über ein Girokonto, das als Sonderkonto ausschließlich für Renten- und Versorgungseinkünfte u.ä. geführt wird, nach § 1813 Abs. 1 Nr. 4 BGB genehmigungsfrei möglich ist, bleibt offen.
Normenkette
BGB § 1813 Abs. 1 Nrn. 2, 4, § 1908i Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Heidelberg (Aktenzeichen 2 T 53/00) |
AG Heidelberg (Aktenzeichen 40 XVII R 334/98) |
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, ist für die Betroffene als Betreuer in Vermögensangelegenheiten bestellt. Die Betroffene lebt in einem Pflegeheim, wofür sie monatlich etwa 5.600,00 DM bezahlen muss. Hiervon werden 2.800,00 DM von der Pflegeversicherung getragen. Den Rest muss sie aus eigenen (Renten-) Einkünften bestreiten, die sich auf rund 3.000,00 DM belaufen.
Der Vermögensbetreuer hat beim Vormundschaftsgericht beantragt, ihm eine allgemeine Ermächtigung zu Verfügungen über das in der Entscheidungsformel genannte Girokonto der Betroffenen für den Fall zu erteilen, dass das Konto ein höheres Guthaben als 5.000,00 DM aufweist. Der Antrag ist vom Vormundschaftsgericht zurückgewiesen worden. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben. Mit seiner weiteren Beschwerde verfolgt der Betreuer seinen Antrag fort.
II.
Die weitere Beschwerde ist begründet.
1. Die Vorinstanzen haben dem Antrag auf Erteilung einer allgemeinen Ermächtigung nicht stattgegeben, weil sie der Ansicht sind, eine solche Ermächtigung sei im Hinblick auf § 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht erforderlich. Nach dieser Bestimmung bedarf es keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, wenn der Anspruch nicht mehr als 3.000,00 Euro (bis 29.06.2000: 5.000,00 DM, vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 17 und Art. 12 des Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27.06.2000, BGBl I Seite 897) beträgt. Nach Auffassung der Vorinstanzen ist – bei einem Girokonto – der Grenzwert von 3.000,00 Euro nicht auf den jeweiligen Kontostand, sondern auf die einzelne Verfügung zu beziehen. Deshalb brauche der Betreuer keine Genehmigung und keine allgemeine Ermächtigung, wenn er eine höchstens 3.000,00 Euro betragende Einzelverfügung über ein Girokonto vornehme, dessen Guthaben 3.000,00 Euro übersteige.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand (§ 27 FGG, § 550 ZPO).
a) Nach dem Wortlaut von § 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB kommt es nicht auf die Höhe der einzelnen Verfügung, sondern auf die Höhe des Anspruchs an, über den der Betreuer (vgl. § 1908 i Abs. 1 S. 1 BGB) verfügt.
b) Das entspricht auch dem eindeutigen gesetzgeberischen Willen. In den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch heißt es ausdrücklich, dass nicht der Betrag der Leistung, sondern des Anspruchs massgebend sein soll, weshalb der Vormund auch Teilbeträge, die den Grenzbetrag nicht übersteigen, ohne Genehmigung nicht wirksam entgegennehmen könne (vgl. dazu im einzelnen: OLG Köln, Beschluss vom 20.06.1994 – 16 Wx 86/94 –, FamRZ 1995, 187 m. N.).
c) Auch die Heraufsetzung des Grenzbetrags von 300,00 DM auf 5.000,00 DM im Zuge der Reform des Pflegschaftsrechts (vgl. Art. 1 Nr. 35 des Betreuungsgesetzes vom 12.09.1990, BGBl I 2002) kann nicht als Hinweis darauf gewertet werden, der Gesetzgeber habe sich von seinen ursprünglichen Motiven distanzieren und Verfügungen bis 5.000,00 DM genehmigungsfrei stellen wollen. Zwar sollte die Anhebung dem Betreuer ein angemessenes Wirtschaften erlauben, ihm einen ausreichenden Spielraum verschaffen und zugleich einer Entlastung der Gerichte dienen, doch lässt sich daraus nicht schliessen, der Gesetzgeber habe eine Abkehr von der bis dahin herrschenden und dem Gesetzeswortlaut entsprechenden Auslegung beabsichtigt. Im Gegenteil legt der Verzicht auf eine Veränderung des Wortlauts (durch Ersetzen von „Anspruch” durch „Verfügung”) nahe, dass die damalige Rechtslage – abgesehen von der Höhe des Grenzbetrags – gerade nicht geändert werden sollte (so schon OLG Köln. a. a. O., zustimmend: Lange, WuB IV A. § 1813 BGB 1.95; Knapp. EWiR § 1813 BGB, 1/94, S. 1183).
d) Der von den Vorinstanzen vertretenen Gegenmeinung (ebenso: Landgericht Saarbrücken, FamRZ 1992, 1348; Amtsgericht Emden, FamRZ 1995, 1081), die sich im wesentlichen auf Praktikabilitätserwägungen stützt, vermag sich der Senat angesichts des klaren Wortlauts und der Gesetzgebungsgeschichte nicht anzuschliessen. Wenn – nicht zu Unrecht – geltend gemacht wird, eine Auslegung, die auf den Kontostand und nicht auf die Höhe der Verfügung abstelle, sei praxisfern und führe zu einer unnötigen Belastung der Gerichte, ist dem entgegenzuhalten, dass nicht die Rechtsprec...