Leitsatz (amtlich)

Zum Abzug eines Toleranzwertes vom gemessenen Gesamtgewicht eines Kraftfahrzeugs beim Vorwurf der Überladung nach § 34 Abs. 3 Satz 3 StVZO.

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts M vom 01. Juni 1999 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels an das Amtsgericht M zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Der Betroffene wurde durch Urteil des Amtsgerichts M vom 01. 06. 1999 wegen fahrlässigen Überschreitens des zulässigen Gesamtgewichts zu der Geldbuße von DM 300 verurteilt. Nach den getroffenen Feststellungen hatte der in Holztransporten erfahrene Betroffene den auf die Firma L in L deren Geschäftsführer er ist, zugelassenen Lastkraftwagen mit Anhänger in einem Wald bei L mit Buchenholz beladen. Auf der Fahrt nach M wurde das Fahrzeug am 02. 12. 1998 gegen 05. 40 Uhr wegen der "auffällig hohen und dichten" Beladung mit Baustämmen einer Polizeikontrolle unterzogen. Die anschließende getrennt vorgenommene Wägung von Zugmaschine und Anhänger in angekuppeltem Zustand auf der geeichten Waage der Firma R in M ergab ein Gesamtgewicht von Zugmaschine und Anhänger von 49 180 kg, mithin eine Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts von insgesamt 40 000 kg um 22. 9 %.

Zur Frage, welche Toleranzabzüge beim Betrieb der Waage auftreten können, hat das Amtsgericht in der Hauptverhandlung einen Sachverständigen angehört und von dem gemessenen Gewicht sodann Abschläge vorgenommen, und zwar zunächst 80 kg zum Ausgleich der Verkehrsfehlergrenze der Waage und als weiteren Sicherheitsabschlag 5 % des Leergewichts des Lastkraftwagens von 18 650 kg, mithin 932. 50 kg, so dass eine Überladung von 8167, 5 kg festgestellt wurde.

Mit seiner Rechtsbeschwerde, die der Senat gemäß §§ 79 Abs. 1 Satz 2, 80 Abs. 1 Nr. 1, 80 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen hat, rügt der Betroffene die Verletzung sowohl von sachlichem als auch formellem Recht. Er trägt vor, die Oberladung nicht habe erkennen zu können; außerdem hält er die Wägung für nicht ordnungsgemäß vorgenommen. Insoweit beanstandet er mit der Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe seinen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Unrecht abgelehnt.

II.

Der Rechtsbeschwerde kann ein - jedenfalls vorläufiger - Erfolg nicht versagt bleiben.

1. Die ordnungsgemäß ausgeführte Verfahrensrüge greift durch.

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis, daß die Beruhigungsstrecke vor und hinter der Waage nicht niveaugleich mit der Wägeplattform gewesen und es aufgrund der Wägung des Fahrzeugs in angekuppeltem Zustand deshalb zu einer fehlerhaften Messung gekommen sei, zurückgewiesen, weil der Betroffene den Antrag i. S. d. § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG verspätet gestellt habe.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG kann auch nach der Neufassung der Bestimmung durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und anderer Gesetze vom 26. 01. 1998 (BGBl. I, S. 156 ff. ) ein zu spät gestellter Beweisantrag unter dem Gesichtspunkt der Prozessverschleppung abgelehnt werden. Da die Vorschrift dem Missbrauch prozessualer Rechte in Gestalt des bewussten Zurückhaltens von Beweismitteln begegnen will (BVerfG NJW 1992, 2811; Göhler, OWiG, 12. Auflage 1998, § 17 Rn. 20), ist die Zurückweisung eines Antrags nur in engen Grenzen möglich. Neben den in der Bestimmung ausdrücklich genannten tatbestandlichen Voraussetzungen erfordert dies, dass nicht die dem Gericht obliegende Aufklärungspflicht die Einholung des Beweises gebietet (vgl. hierzu die amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 15. 08. 1996, BT-Drucks 13/ 5418, Seite 10; Deutscher NZV 1999, 185 ff. , 187; Katholnigg NJW 1998, 568 ff, 571; Göhler a. a. O. ).

b) Der Betroffene hat es zwar, was ihm an sich möglich und zumutbar gewesen wäre, entgegen der sich ihm aus dieser Vorschrift ergebenden Mitwirkungspflicht unterlassen, seine Einwendungen gegen die Fehlerfreiheit der Messung rechtzeitig vor dem Hauptverhandlungstermin dem Gericht mitzuteilen; dies geschah jedoch nicht ohne verständigen Grund. Ein solcher liegt nicht nur vor, wenn sich in der Hauptverhandlung neue, vorher nicht bekannte Umstände ergeben, die eine weitere Beweisaufnahme erfordern (Rebmann/Roth/Herrmann, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 3. Auflage 1999, § 77 Rn 12; Göhler a. a. O. ), sondern auch dann, wenn der Betroffene aus Sicht eines verständigen Dritten damit rechnen kann, dass seine beabsichtigten Einwendungen in der Hauptverhandlung ohnehin zur Sprache kommen werden, so dass es deren ausdrücklicher vorheriger Benennung nicht zwingend bedarf. So liegt der Fall hier. Zur Überprüfung des Messergebnisses der Wägung hatte das Amtsgericht nämlich, wie dem Betroffenen aus der Ladungsverfügung vom 21. 04. 1999 auch bekannt, von Amts wegen einen Sachverständi...

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