Leitsatz (amtlich)

1. Die Unterbrechung des Verfahrens steht der Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs, der darauf gestützt wird, dass eine gerichtliche Entscheidung während der Unterbrechung des Verfahrens ergangen ist, nicht entgegen.

2. Gerichtliche Entscheidungen, die unzulässigerweise im unterbrochenen Verfahren ergehen, sind relativ unwirksam und auf die Einlegung eines gegen die Entscheidung eröffneten Rechtsbehelfs ohne Sachprüfung aufzuheben.

3. Eine Kostenentscheidung, die eine Anhörung der Beteiligten voraussetzt, kann während der Dauer der Unterbrechung nicht ergehen.

 

Verfahrensgang

AG Offenburg (Aktenzeichen 2 F 27/23)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird Ziffer 1 des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenburg vom 19.06.2023 (2 F 27/23) aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückgewiesen.

3. Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Amtsgericht vorbehalten.

 

Gründe

I. Der Antragsteller wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung nach Rücknahme seines Antrags in einer sonstigen Familiensache.

Der Antragsteller begehrte im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs, dass sich die Antragsgegnerin, seine frühere Ehefrau, an der Rückführung eines gemeinsamen Privatdarlehens und eines Dispositionskredits für ein gemeinsames Girokonto in Höhe von 7.427,13 EUR beteilige.

Die Antragsschrift vom 30.01.2023 wurde der Antragsgegnerin am 14.04.2023 zugestellt. Am 17.04.2023 ist die Antragsgegnerin, die in diesem Verfahren anwaltlich nicht vertreten war, verstorben. Das Amtsgericht Offenburg wies mit Verfügung vom 07.06.2023 darauf hin, dass das Verfahren mangels Vertretung der Antragsgegnerin durch eine Rechtsanwältin gemäß § 113 FamFG i.V.m. § 239 ZPO seit dem 17.04.2023 unterbrochen sei. Hierauf teilte der Antragsteller durch Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 19.06.2023 mit, das er sich mit den Erben der Antragsgegnerin, auch hinsichtlich der Kosten des Verfahrens, geeinigt habe und er deshalb den Antrag vom 30.01.2023 zurücknehme. Mit Beschluss vom gleichen Tag legte das Amtsgericht Offenburg dem Antragsteller gemäß §§ 113 FamFG, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten des Verfahrens auf und setzte den Verfahrenswert auf 7.427,13 EUR fest.

Gegen diese seinem Verfahrensbevollmächtigten am 18.07.2023 zugestellte Entscheidung legte der Antragsteller am gleichen Tag Beschwerde ein. Zur Begründung ist ausgeführt, dass über die Wirkungen einer Antragsrücknahme nach §§ 113 FamFG, 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO nur auf Antrag entschieden werde und ein solcher Antrag nicht gestellt sei. Zudem übersehe das erstinstanzliche Gericht, dass die Beteiligten sich anderweitig über die Kosten geeinigt hätten, was bereits in dem Rücknahmeschriftsatz mitgeteilt worden sei. Zwischenzeitlich seien der Vergleichsbetrag von 7.000 EUR und die darauf entfallenden Rechtsanwaltsgebühren und Gerichtskosten von den Erben der Antragsgegnerin gemäß dem geschlossenen außergerichtlichen Vergleich gezahlt worden.

Das Amtsgericht Offenburg legte die Akte dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vor, ohne das Abhilfeverfahren gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 269 Abs. 5 Satz 1, 572 Abs. 1 ZPO durchzuführen.

Im Beschwerdeverfahren wies das Beschwerdegericht darauf hin, dass die angefochtene Kostenentscheidung schon deshalb aufzuheben sein dürfte, weil der Beschluss während der Unterbrechung des Verfahren erlassen wurde. Auf die Nachfrage, ob der Antragsteller mit der Beschwerde die bloße Aufhebung des Beschlusses vom 19.06.2023 oder eine Kostenentscheidung gemäß der mit den Erben getroffenen Regelung begehre und ob sich die Beschwerde nur auf die Kostenentscheidung oder außerdem auf die Festsetzung des Verfahrenswertes durch das Amtsgericht Offenburg beziehe, teilte der Antragsteller mit, dass mit der Beschwerde vom 18.07.2023 lediglich die Aufhebung des Beschlusses vom 19.06.2023 begehrt werde und sich die Beschwerde nur gegen die Kostenentscheidung richte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II. Die gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 269 Abs. 5 Satz 1, 567 ZPO statthafte (vgl. BGH vom 28.09.2011 - XII ZB 2/11, juris Rn. 8, 12 f.), form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache Erfolg.

1. Die infolge des Versterbens der nicht anwaltlich vertretenen Antragsgegnerin eingetretene Verfahrensunterbrechung gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 239 Abs. 1 ZPO steht der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde nicht entgegen. Die durch §§ 113 Abs. 1 FamFG, 249 Abs. 2 ZPO angeordnete Unwirksamkeit beschränkt sich auf Verfahrenshandlungen, die gegenüber dem Gegner vorzunehmen sind. Sie gilt nicht für Rechtsbehelfe gegen eine Gerichtsentscheidung, die darauf gestützt werden, dass die Entscheidung während der Unterbrechung des Verfahrens ergangen ist (BGH vom 17.12.2008 - XII ZB 125/06, juris Rn. 6...

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