Entscheidungsstichwort (Thema)
Zumutbarkeit des Einsatzes von Grundvermögen für die Kosten der Prozessführung
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen Grundvermögen, dass nicht zum sozialhilferechtlichen Schonvermögen zählt, für die Kosten der Prozessführung eingesetzt werden muss.
2. Wenn die Unsicherheiten bestehen, ob bei der Veräußerung eines Hauses ein Erlös erzielt wird, der die Belastungen des Hauses übersteigt, ist kein verwertbares Vermögen i.S.v. § 115 Abs. 2 ZPO vorhanden. Dass der Verkehrswert oder der früher von der Partei selbst aufgewendete Kaufpreis die Belastungen übersteigt, ändert nichts.
3. Die Veräußerung eines Hauses kann im Einzelfall unzumutbar sein, wenn die mit dem Verkauf verbundenen Kosten (Maklerhonorar, Umzugskosten, Notarkosten, Kosten im Zusammenhang mit der Finanzierung) voraussichtlich weit höher wären als die zu erwartenden Prozesskosten.
4. Im Rahmen von § 115 Abs. 2 ZPO ist auch die Belastung des Grundvermögens in Erwägung zu ziehen. Bei der Frage einer Darlehensaufnahme ist allerdings zu prüfen, ob und inwieweit die in Betracht kommenden Modalitäten der Darlehensrückzahlung zumutbar sind.
Verfahrensgang
LG Heidelberg (Beschluss vom 20.08.2003; Aktenzeichen 7 O 177/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des LG Heidelberg vom 20.8.2003 - 7 O 177/03 - aufgehoben. Dem Beklagten wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin W., Sinsheim, bewilligt.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 20.8.2003 hat das LG Heidelberg den Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, da der Beklagte über Grundvermögen (ein Zweifamilienhaus) verfüge, welches er zur Bestreitung der Prozesskosten einsetzen könne. Gegen diese Entscheidung des LG richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten, welcher das LG nicht abgeholfen hat.
II. Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist zulässig und begründet. Die Voraussetzungen für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 114 ZPO) liegen vor.
1. Der Beklagte kann nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen (§ 114 ZPO). Unter Berücksichtigung der Berechnungsvorschriften in § 115 Abs. 1 ZPO hat der Beklagte kein Vermögen, welches er für die Prozesskosten einsetzen müsste.
a) Der Beklagte hat folgende Einkünfte:
Arbeitseinkommen netto: 1.874,94 Euro
Kindergeld: 641,00 Euro
Mieteinkünfte: 620,00 Euro
Summe: 3.135,94 Euro
Das Arbeitseinkommen ergibt sich aus der vorgelegten Lohnbescheinigung des Arbeitgebers vom 25.7.2003. Beim Kindergeld ist der dem Beklagten zustehende Betrag i.H.v. 179 Euro für das am 14.9.2003 geborene vierte Kind mitberücksichtigt.
b) Von diesen Einkünften sind folgende Belastungen des Beklagten abzuziehen:
Darlehen (Zins und Tilgung laut Bankbescheinigung): 945,83 Euro;
Lebensversicherung: 238,31 Euro
Heizung: 80,00 Euro
Möbelkredit: 200,00 Euro
Summe: 1.464,14 Euro
c) Dem Beklagten stehen mithin zur Bestreitung des Lebensunterhalts für sich und seine Familie 1.671,80 Euro monatlich (3.135,94 Euro - 1.464,14 Euro) zur Verfügung. Dieser Betrag liegt unter dem gem. § 115 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO maßgeblichen Freibetrag von 1.752 Euro (364 Euro jeweils für den Beklagten und seine Ehefrau; 256 Euro für jedes der vier Kinder).
2. Der Beklagte besitzt kein Vermögen, welches gem. § 115 Abs. 2 ZPO für die Prozesskosten einzusetzen wäre.
a) Das LG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das Grundvermögen des Beklagten kein Schonvermögen i.S.v. § 88 Abs. 2 Ziff. 7 BSHG darstellt, da das Haus nicht nur vom Beklagten und seiner Familie bewohnt wird; es befinden sich zwei weitere Wohnungen in dem Anwesen, die vermietet sind.
b) Einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe könnte das Haus des Beklagten jedoch nur dann entgegenstehen, wenn es sich um einen Vermögensgegenstand handeln würde, den der Beklagte gem. § 115 Abs. 2 ZPO für die Bestreitung der Prozesskosten einsetzen könnte. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass insoweit überhaupt ein verwertbarer Vermögensgegenstand des Beklagten vorhanden ist. Denn es ist nicht ersichtlich, ob dem Beklagten bei einer Veräußerung des Hauses überhaupt ein Erlös verbleiben würde. Die insoweit bestehenden Unsicherheiten stehen einer Berücksichtigung des Hauses im Rahmen von § 115 Abs. 2 ZPO entgegen.
Der Beklagte hat das Haus im Februar 2003 zum Preis von 248.000 Euro erworben. Nach der vorgelegten Bankbescheinigung der Sparkasse K. vom 15.5.2003 ist das Haus i.H.v. 220.000 Euro fremdfinanziert. Angesichts der Unsicherheiten auf dem Grundstücksmarkt wäre bei einer Veräußerung völlig offen, ob der Beklagte einen Verkaufspreis erzielen könnte, der die Belastungen i.H.v. ca. 220.000 Euro übersteigt. Das Risiko, dass dem Beklagten bei einer Veräußerung des Hauses möglicherweise kein Erlös verbleiben würde, wird zudem dadurch verstärkt, dass der Beklagte voraussichtlich bei einer Veräußerung erhebliche zusätzliche Kosten aufwenden müsste (insb. Makler...