Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumung und Herausgabe. Kündigungsrecht des Erben

 

Leitsatz (redaktionell)

Für die Kündigung des Vermieters gem. § 569 BGB ist ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses i.S.d. § 564 b BGB auch dann erforderlich, wenn der Erbe zu Lebzeiten des Mieters nicht in der Wohnung gelebt hat (Anschluß an die Rechtsentscheide des OLG Hamburg vom 21.09.1983 – NJW 1984, 60 – und des BayObLG vom 04.12.1984 – WuM 1985, 52).

 

Normenkette

BGB §§ 564b, 569, 1922

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Entscheidung vom 08.09.1989; Aktenzeichen 5 S 118/89)

 

Tenor

Für die Kündigung des Vermieters gem. § 569 BGB ist ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses i.S.d. § 564 b BGB auch dann erforderlich, wenn der Erbe zu Lebzeiten des Mieters nicht in der Wohnung gelebt hat (Anschluß an die Rechtsentscheide des OLG Hamburg vom 21.09.1983 – NJW 1984, 60 – und des BayObLG vom 04.12.1984 – WuM 1985, 52).

 

Tatbestand

I.

Der Kläger vermietete an den Vater der Beklagten und dessen Ehefrau eine 2-Zimmer-Wohnung in … Beide Mieter sind gestorben, zuletzt der Vater der Beklagten am 21.10.1988. Die Beklagte als dessen nichteheliches Kind ist Alleinerbin.

Der Kläger hat der Beklagten mit Schreiben vom 18.11.1988, allein gestützt auf § 569 Abs. 1 BGB, gekündigt. Mit Schreiben vom 28.11.1988 hat er die Kündigung wiederholt, weil die Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen nicht in der Lage sei, die Miete zu bezahlen, die Wohnung für die Beklagte, deren zwei Kinder und den Lebensgefährten zu klein sei und die Beklagte bereits andere Mieter mit Schlägen bedroht habe. Die Beklagte hat beiden Kündigungen widersprochen.

Der daraufhin erhobenen Räumungsklage hat das Amtsgericht aus § 569 BGB stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat der Vermieter weitere Störungen des Hausfriedens, die von der Beklagten bestritten werden, vorgetragen. Das Landgericht Karlsruhe hält die Berufung der Beklagten schon deshalb für unbegründet, weil sie bis zum Tode der ursprünglichen Mieter nicht in der Wohnung gelebt hat. Durch Beschluß vom 08.09.1989 hat die Kammer dem Senat folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt:

Ist für die Kündigung des Vermieters nach § 569 BGB ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses i.S.d. § 564 b BGB erforderlich, wenn der Erbe zu Lebzeiten des Mieters nicht in der Wohnung gelebt hat?

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Vorlage ist zulässig.

1. Das Berufungsgericht will dem Vermieter eine Kündigung des Mietverhältnisses nach § 569 BGB auch ohne ein berechtigtes Interesse an dessen Beendigung unter der Voraussetzung zugestehen, daß der Erbe zu Lebzeiten des bisherigen Mieters in der betreffenden Wohnung nicht gelebt hat. Wie der Vorlagebeschluß zutreffend ausführt, würde die Kammer damit von den Rechtsentscheiden des OLG Hamburg vom 21.09.1983 – NJW 1984, 60 – und des BayObLG vom 04.12.1984 – WuM 1985, 52 – abweichen. Beide Entscheidungen verlangen bei Kündigungen nach § 569 BGB generell ein berechtigtes Interesse des Vermieters i.S.d. § 564 b BGB, also auch unter den Voraussetzungen, die das Landgericht zum Gegenstand seiner Vorlage gemacht hat.

2. Die Rechtsfrage ist entscheidungserheblich; denn die Auffassung der Kammer, die im zweiten Kündigungsschreiben geltend gemachten Gründe seien nicht ausreichend, um ein berechtigtes Interesse nach § 564 b BGB darzulegen, ist weder verfassungswidrig noch offensichtlich unhaltbar und daher nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (RE vom 25.03.1981 – WuM 1981, 173; zuletzt RE vom 18.10.1989 – 3 ReMiet 1/89) von dem um den Erlaß eines Rechtsentscheids angegangenen Gericht hinzunehmen. Allerdings geht der Vorlagebeschluß nicht auf das Vorbringen des Klägers zu weiteren Störungen des Hausfriedens im Laufe des Rechtsstreits ein. Da diese Behauptungen jedoch bestritten sind, müßte im Falle ihrer Erheblichkeit eine Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen durchgeführt werden. Hängt somit von der Beantwortung der Frage zumindest ab, ob sofort ein Urteil ergehen kann oder zunächst eine Beweisaufnahme notwendig wird, besteht für das Landgericht aus Gründen der Prozeßökonomie (§ 300 ZPO) Vorlagerecht und -pflicht (BGH NJW 1987, 2372; Senat WuM 1983, 314).

3. Das Landgericht hat es entgegen Art. III Abs. 1 S. 2 3. MietRÄndG versäumt, die Stellungnahmen der Parteien zum Vorlagebeschluß einzuholen. Dieser Mangel ist dadurch geheilt, daß der Senat den Parteien Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat.

Der Senat bejaht die Vorlagefrage; er schließt sich der in den Rechtsentscheiden des OLG Hamburg (NJW 1984, 60) und des BayObLG (WuM 1985, 52) vertretenen Auffassung an, die auch im Schrifttum (Barthelmess, 2. Wohnraumkündigungsschutzgesetz, 3. Aufl., § 564 b Rn. 20; Grapentin in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, Kap. IV Rn. 234; Köhler, Handbuch der Wohnraummiete, § 23 Rn. 3; Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl., B 579; Staudinger/Sonnenschein, 12. Aufl., 2. Bearbeitung, § 564 b Rn. 13; Sternel, Mietrecht, 3....

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