Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Entfernung von auf dem Nachbargrundstück stehenden Bäumen
Leitsatz (amtlich)
Die Entfernung von Bäumen, welche unter Missachtung des Grenzabstands gemäß § 16 des baden-württembergischen Nachbarrechtsgesetzes (NRG) zu nahe an der Grenze gepflanzt wurden, kann allein zur Abwehr der von ihnen verursachten Immissionen (Nadeln, Zapfen) nach Verjährung des nachbarrechtlichen Beseitigungsanspruchs (§ 26 NRG) grundsätzlich auch nicht mehr gemäß § 1004 BGB oder auf Grund des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses verlangt werden.
Die Entfernung von Bäumen, welche unter Missachtung des Grenzabstands gemäß § 16 des baden-württembergischen Nachbarrechtsgesetzes (NRG) zu nahe an der Grenze gepflanzt wurden, kann allein zur Abwehr der von ihnen verursachten Immissionen (Nadeln, Zapfen) nach Verjährung des nachbarrechtlichen Beseitigungsanspruchs (§ 26 NRG) grundsätzlich auch nicht mehr gemäß § 1004 BGB oder auf Grund des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses verlangt werden.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 02.05.2022, Az. 1 O 106/21, abgeändert. Die Klage wird - auch gegen die Beklagten Ziffer 3 und 4 - abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht Ansprüche wegen Immissionen geltend, die von zwei Kiefern auf dem benachbarten Grundstück der Beklagten ausgehen.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks R. 13 (Flurstück ...) im Stadtteil ... in Karlsruhe. Die Beklagten Ziffer 1 und 2 sind - gemeinsam mit den Beklagten Ziffer 3 und 4, die keine Berufung eingelegt haben - Wohnungseigentümer des benachbarten Grundstücks H. 10/10a (Flurstück ...). Im Abstand von 0,5 m bis 3 m zur Grundstücksgrenze des Klägers stehen auf dem Grundstück der Beklagten seit dem Jahr 1985 zwei heute über 10 m hohe Kiefern. Nach § 3 Nr. 1 der Teilungserklärung vom 19.03.1981 ist der gesamte Grund und Boden der Beklagten gemeinschaftliches Eigentum. Den Beklagten Ziffer 1 und 2 ist gemäß § 4 Nr. 1, 2 der Teilungserklärung das alleinige Sondernutzungsrecht an ihrer Grundstückshälfte zugewiesen; auf dieser Hälfte stehen die den Kläger störenden Bäume. Die Teilungserklärung bestimmt in § 5 Nr. 1 weiter, dass "die nicht sondereigentumsfähigen ... Grundstücksflächen samt Bestandteilen im Bereich der Sondernutzungsrechte bezüglich der Unterhaltung, Instandhaltung und Pflege... so anzusehen [sind], als ob sie Sondereigentum wären."
Der Kläger forderte die mittlerweile verstorbene ehemalige Beklagte Marianne P. mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 11.03.2019 unter Fristsetzung bis zum 31.03.2019 zur Beseitigung der beiden Bäume auf (Anlage K 2, AH Kl. 1. Instanz). Marianne P. verstarb im Verlauf des Verfahrens erster Instanz und wurde von den Beklagten Ziffer 1 und 2 beerbt.
Der Kläger hat behauptet, die Bäume seien wegen Trockenheit stark angegriffen und nicht mehr standsicher. Aufgrund des Winddrucks bestehe die akute Gefahr, dass die Bäume auf sein Wohnhaus stürzten. Wegen der von den Bäumen ausgehenden Immissionen durch Nadeln, Zapfen und Pflanzenreste sei sein Grundstück einer außerordentlichen Belastung ausgesetzt: Regelmäßig verstopften die Dachrinnen; diese und die Gehweg- und Terrassenflächen müssten mit erheblichem Aufwand, auch wegen der Harzantragungen, gereinigt werden. Die Kosten einer Reinigung durch eine gewerbliche Gartenbaufirma beliefen sich auf mindestens 3.500,- EUR jährlich. Dabei würden 80 % des Arbeitsaufwandes durch die beiden Bäume generiert. Weil der Grenzkanal seines Daches durch Pflanzenteile der Kiefern verstopft worden sei, sei es bereits zu einem Wassereinbruch in seinem Wohnhaus gekommen.
Der Kläger hat beantragt:
1. Die Beklagten werden verurteilt, die zwei 15 m/18 m hohen Kiefern auf ihrem Flurstück mit der Nr. ..., welche unmittelbar an der Grenze zum Flurstück des Klägers mit der Nr. ... stehen, zu beseitigen.
Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger mindestens 80 % der Kosten zu erstatten, welche dadurch entstehen, dass Emissionen durch die beiden im Klageantrag zu 1 bezeichneten Kiefern in Form von herabfallenden Pflanzenteilen wie Kieferästen, Kiefernadeln, Blütenteilen und Kiefernzapfen auf dem bebauten Grundstück des Klägers niedergehen, beseitigt werden müssen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 571,44 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2019 zu bezahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben vorgetragen, die Immissionen stammten von den auf dem Grundstück des Klägers stehenden, erheblich größeren Bäumen. Von den Bäumen auf ihrem Grundstück gehe keine unzumutbare, einen Mehraufwand in der vom Kläger angegebenen Höhe verursachende Beeinträchtigung aus. Eine Bese...