Entscheidungsstichwort (Thema)

Baustelle. Sorgfaltspflichten beim Rückwärtsfahren mit Radlader

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 1 Abs. 1 und 2 StVO enthalten Grundregeln, die auch für den Verkehr auf nichtöffentlichen Flächen Bedeutung haben. Das Vorsichts- und Rücksichtnahmegebot sowie das Verbot, andere zu schädigen, zu gefährden, vermeidbar zu behindern oder zu belästigen, können bei der Beurteilung der Frage, inwieweit jeder der Unfallbeteiligten zum konkreten Unfallgeschehen beigetragen hat, nicht unberücksichtigt bleiben. Gleiches gilt für den Rechtsgedanken, dass derjenige, der die Sorgfalt außer Acht lässt, die in der konkreten Situation erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den Verlust oder die Kürzung seines Schadensersatzanspruches hinnehmen muss.

2. Bei der Pflicht, hinzuschauen, wo man sich hinbewegt, handelt es sich um ein elementares Gebot sozialen Miteinanders, das auch außerhalb des Straßenverkehrsrechts - beispielsweise auf einem Baustellengelände - gilt (im Anschluss an KG VersR 2005, 135). Die mit dem Rückwärtsfahren oder auch nur Rückwärtsrollenlassen eines großen Radladers verbundene Gefahr ist generell so bedeutend, dass ihr nur mit einer hinreichenden Beobachtung des rückwärtigen Raumes wirksam begegnet werden kann.

 

Normenkette

BGB § 254; StVO § 1; StVG §§ 7, 17

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Entscheidung vom 08.12.2011; Aktenzeichen 9 O 223/10)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 08.12.2011 - 9 O 223/10 - im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 28.100,38 € nebst Zinsen hieraus i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.06.2010 zu bezahlen.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten i. H. v. 1.005,40 € nebst Zinsen hieraus i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, die Beklagte zu 1 ab dem 26. August 2010, der Beklagte zu 2 ab dem 09. November 2010 zu bezahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 30 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 70 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 60 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 40 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Unfall auf einem größeren Baustellengelände in Anspruch.

Am 25. März 2010 arbeitete der Zeuge B. mit dem im Eigentum des Klägers stehenden Radlader (Liebherr Typ L 574), auf dem Baustellengelände C. in M.. Die Baustelle ist dem öffentlichen Verkehr nicht zugänglich. Der Zeuge B. hatte mit dem Radlader an diesem Tag angehäuftes Schüttgut aus einem Abriss zu einem mobilen Sieb zu transportieren und in das Sieb zu geben, wo es dann sortiert wurde. Der Beklagte zu 2 fuhr mit dem bei der Beklagten zu 1 versicherten Lkw über das Baustellengelände, um dort im Rahmen erforderlicher Bauarbeiten Baumaterial abzukippen.

Bei dem Versuch, an dem Radlader, der sich zu diesem Zeitpunkt unmittelbar vor dem Sieb befand, rückwärts mit dem Lkw vorbeizufahren, kam es zur Kollision der beiden Fahrzeuge im Heckbereich. Die linke hintere Ecke des Lkw-Aufliegers und der Heckbereich des Radladers kollidierten, wobei Einzelheiten des Unfallherganges zwischen den Parteien streitig sind. Durch die Kollision entstand am Radlader erheblicher Schaden.

Die Beklagte zu 1 hat mit Schreiben vom 12. Juni 2010 ihre Eintrittspflicht für den am Radlader des Klägers entstandenen Schadens verneint.

Der Kläger hat behauptet, zu dem Unfall sei es dadurch gekommen, dass der vom Beklagten zu 2 gesteuerte Lkw beim Rückwärtsfahren in das Heck des Radladers gefahren sei. Es habe keine Notwendigkeit bestanden, den Arbeitsbereich des Radladers mit dem Lkw zu kreuzen. Am Radlader sei ein Schaden entstanden, dessen Instandsetzung einen Aufwand von 39.000,00 € netto erfordere. Für die Begutachtung durch einen Sachverständigen seien Kosten von "1.134,40 €" netto angefallen. Zum Nachweis legte der Kläger eine Rechnung des Sachverständigen vom 17.5.2010 über einen Nettobetrag von 1.143,40 Euro vor (AHK 2).

Neben dem Ersatz des materiellen Schadens begehrt der Kläger Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug zuletzt beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 40.143,40 € nebst 5 %punkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17.06.2010 zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 1.286,20 € außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten nebst 5 %punkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben geltend gemacht, nicht der Beklagte zu 2 sondern der Zeuge B. sei rückwärts gef...

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