Leitsatz (amtlich)
Der Risikoausschluss des § 4 Abs. 1k ARB 75 erfasst nicht Nachbarklagen ggü. Geruchsbelästigungen durch die Umstellung eines landwirtschaftlichen Betriebs vom Festmistverfahren auf Flüssigmistverfahren.
Verfahrensgang
LG Offenburg (Urteil vom 25.06.2004; Aktenzeichen 3 O 93/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG Offenburg vom 25.6.2004 - 3 O 93/04 - abgeändert und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern im Verfahren 2 O 273/02 vor dem LG Offenburg Kostendeckung zu gewähren.
Die Kosten erster und zweiter Instanz trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Kläger vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestands wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO).
Die zulässige Berufung ist begründet.
Zu Unrecht hat das LG ein Eingreifen der Risikoausschlussklausel des § 4 Abs. 1k ARB 75 bejaht. Danach bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Planung, Errichtung oder genehmigungspflichtigen baulichen Veränderung eines im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindlichen oder von diesem zu erwerbenden Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteiles stehen.
Allgemeine Versicherungsbedingungen wie der Risikoausschluss des § 4 Abs. 1k ARB 75 sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. § 4 Abs. 1k ARB 75 verfolgt den auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren Zweck, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen und im Kostenrisiko schwer überschaubaren und kaum kalkulierbaren rechtlichen Streitigkeiten um Baumaßnahmen aller Art und die sie unmittelbar begleitenden Vorgänge von der Versicherung auszunehmen, weil nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil der in der Risikogemeinschaft zusammengeschlossenen Versicherungsnehmer ein solches Risiko entstehen kann. Die Klausel stellt dafür auf den unmittelbaren Zusammenhang mit der Planung und Errichtung eines Gebäudes ab. Maßgebend ist, ob die vom Versicherungsnehmer angestrebte Rechtsverfolgung der Planung und Errichtung eines Gebäudes zuzuordnen ist. Der geforderte Zusammenhang muss dabei nicht nur zeitlich bestehen, sondern es muss darüber hinaus auch ein innerer sachlicher Bezug gegeben sein.
Die Klausel erfasst das Baurisiko, für das Auseinandersetzungen typisch sind, die über die anlässlich eines Bauvorhabens erbrachten Leistungen geführt werden. Es geht um die Wahrung der rechtlichen Interessen, die der Bauherr an der Planung und Errichtung eines mangelfreien Gebäudes hat. Deckungsschutz besteht demgegenüber für die Durchsetzung von Ansprüchen, die zu dem Bauvorhaben selbst in keinem unmittelbaren Bezug stehen, etwa weil sie sich aus dem Erwerb eines zur Bebauung vorgesehenen Grundstückes oder dem Erwerb von Anteilen an einem Immobilienfonds ergeben und demnach nicht das Baurisiko, sondern das sog. Erwerbsrisiko betreffen, nicht (BGH v. 19.2.2003 - IV ZR 318/02, MDR 2003, 744 = BGHReport 2003, 602 = VersR 2003, 454; OLG Karlsruhe v. 5.2.2004 - 12 U 110/03, VersR 2004, 777; v. 29.1.2004 - 12 U 96/03, OLGReport Karlsruhe 2004, 132 = NJW-RR 2004, 602).
Die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Kläger im Vorprozess steht nicht in unmittelbarem Zusammenhang zur baulichen Veränderung ihres Betriebes, soweit dieser vom Festmistverfahren auf das Flüssigmistverfahren umgestellt wurde, wozu der Stallboden durch einen Vollspaltenboden ersetzt und Güllekanäle eingebaut wurden, eine Unterdruckbelüftungsanlage installiert wurde, alle Ställe mit einem Abluftsammelkanal verbunden wurden und die Abluft über 2 Kamine nach außen abgeführt wurde. Selbst wenn man unterstellt, dass diese ohne bauordnungsrechtliche Genehmigung durchgeführten baulichen Veränderungen zu einer erhöhten Geräusch- und Geruchsemission insb. auf das der Klägerin des Vorprozesses gehörende Grundstück führten, fehlt der unmittelbare, wenn auch zeitlich vorhandene Zusammenhang der Umbaumaßnahme zur Rechtsverteidigung gegen die im Vorprozess angestrengten Klage. Diese richtet sich ersichtlich gegen die entstandenen Geräusch- und Geruchsbelästigungen, was auch in den einzelnen, teilweise für erledigt erklärten Klageanträgen zum Ausdruck kommt. Bereits diese zunächst bestimmte Maßnahmen zur Verringerung der Geräusch- und Geruchsemissionen in Übereinstimmung mit den Auflagen des Landratsamtes Ortenaukreis - Baurechtsamt - vom 2.5.2002 beinhaltenden Anträge hatten auch...