Leitsatz (amtlich)

Eine mit Willen des Versicherten vorgenommene Injektion eines Rauschmittels stellt keinen Unfall dar, selbst wenn sie ungewollt einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht.

 

Normenkette

AUB 94 § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Urteil vom 03.11.2004; Aktenzeichen 5 O 83/04)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Mannheim vom 3.11.2004 - 5 O 83/04 - wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

I. (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)

Die Klägerin begehrt aus einem Unfallversicherungsvertrag, dem die AUB 94 zugrunde liegen, die vereinbarte Todesfallsumme von 10.000 DM. Ihr Sohn, der Versicherte, starb am 9.5.2003 im Krankenhaus, nachdem er am 3.5.2003 in seiner Wohnung leblos aufgefunden und reanimiert worden war. Nach den ärztlichen Feststellungen war bei dem Sohn der Klägerin ein hypotoxischer Hirnschaden nach Heroinintoxikation eingetreten, der zusammen mit anderen Komplikationen zu seinem Ableben führte. Die strafrechtlichen Ermittlungen haben keine Nachweise für ein Fremdverschulden ergeben.

Die Klägerin hat behauptet, die Heroininjektion sei von einer dritten Person verabreicht worden. Sie vertritt ferner die Auffassung, ein Unfall liege auch vor, wenn ihr Sohn sich das Heroin selbst gespritzt habe, da er seinen Tod nicht in Kauf genommen habe.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochten klagabweisenden Urteils wird Bezug genommen.

Im Berufungsrechtszug verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 5.112,92 EUR nebst Zinsen in vollem Umfang weiter. Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

II. (§ 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO)

Das LG hat im Ergebnis zutreffend das Vorliegen eines versicherten Unfalls verneint.

Entgegen der Auffassung des LG ergibt sich die von ihm herangezogene Definition des Unfallbegriffs nicht aus der Kommentarliteratur. Andererseits allerdings kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht mangels einer gesetzlichen Definition auf einen unbestimmten Unfallbegriff abgestellt werden. Maßgebend ist vielmehr, dass die Beklagte gem. § 1 Abs. 3 AUB 94 Versicherungsschutz für den Fall verspricht, dass der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung erleidet. Diese Bestimmung ist - wie Allgemeine Versicherungsbedingungen regelmäßig - so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und in Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs sie verstehen muss. Es kommt dabei auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGH v. 23.6.1993 - IV ZR 135/92, MDR 1993, 841 = VersR 1993, 957; v. 25.9.2002 - IV ZR 248/01, BGHReport 2003, 9 = MDR 2002, 1434 = VersR 2002, 1503).

Entgegen der Auffassung des LG scheitert der Anspruch der Klägerin nicht an der fehlenden Unfreiwilligkeit. Diese bezieht sich bereits nach dem Wortlaut der Bedingungen nicht auf das Unfallereignis, hier also die Injektion des Heroins, sondern auf die Gesundheitsbeschädigung, hier den hypotoxischen Hirnschaden mit Todesfolge (BGH v. 12.12.1984 - IVa ZR 88/83, MDR 1985, 828 = VersR 1985, 177). Dass der Sohn der Klägerin einen solchen nicht nur für möglich gehalten hatte, sondern ihn auch billigend in Kauf nahm, statt auf einen glimpflichen Ausgang zu hoffen, lässt sich nicht feststellen, sondern dürfte aufgrund der Umstände wohl ausgeschlossen sein. Es genügt für die Freiwilligkeit i.S.v. § 1 Abs. 3 AUB nicht, dass der Versicherte sich bewusst einer Gefahr aussetzt (Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 1 AUB 94 Rz. 18; Grimm, Unfallversicherung, 3. Aufl., § 1 Rz. 39).

Entgegen der Auffassung des LG steht dem Anspruch der Klägerin auch nicht die erhebliche Zeitspanne zwischen Injektion und Todeseintritt entgegen. Plötzlich muss nämlich - wie bereits der Wortlaut der Klausel erkennen lässt - nicht die Gesundheitsbeschädigung sein, sondern die von außen kommende Einwirkung. Ist diese plötzlich, so spielt es für den Unfallbegriff der AUB 94 keine Rolle, wann der Gesundheitsschaden eintritt (BGH v. 13.7.1988 - IVa ZR 204/87, MDR 1989, 47 = VersR 1988, 951; Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 179 Rz. 14).

Der Klage ist allerdings gleichwohl der Erfolg zu versagen, weil ein Unfallereignis i.S.v. § 1 Abs. 3 AUB 94 nicht dargetan ist.

Nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers fehlt es bereits an einem plötzlich von außen wirkenden Ereignis. Als essentiell wird er beim Erfassen des Bedingungstextes die ungewollte Kollision mit der Außenwelt ansehen. Für die - ggf. nicht berücksichtigten und ungewollten - Folgen eines vollständig willensgeste...

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