Leitsatz (amtlich)
Zur unangemessenen Benachteiligung des Kunden in AGB eines Energieversorgers durch eine Klausel, die Tilgungsbestimmungen unter Abbedingung des § 366 BGB trifft.
Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 31.03.2009) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Konstanz vom 31.3.2009 im Kostenpunkt und unter Ziff. 1 des Tenors wie folgt geändert:
Der Beklagten wird zusätzlich untersagt, ggü. Verbrauchern gem. § 13 BGB die nachfolgende oder inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Verträgen über die Lieferung von Erdgas für den Eigenverbrauch im Haushalt zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen:
Ist der Kunde der SVS aus mehreren Schuldverhältnissen und/oder der Stadt aus dem öffentlich-rechtlichen Abwasseranschluss- und -nutzungsverhältnis, für welches die SVS die Forderungseinziehung betreibt zu gleichartigen Leistungen verpflichtet, und reicht das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, so werden die Schulden unter Abbedingung des § 366 BGB in folgender Reihenfolge getilgt:
1. Forderungen der Stadt aus dem öffentlich-rechtlichen Abwasseranschluss- und -nutzungsverhältnis
2. Forderungen der SVS aus Stromlieferungen
3. Forderungen der SVS aus Erdgaslieferungen
4. Forderungen der SVS aus Fernwärmelieferungen
5. Forderungen der SVS aus etwaigen Stromnetzzugangs- und Erdgasnetzzugangsverträgen
6. Forderungen der SVS aus Wasserlieferungen
7. Sonstige Forderungen.
II. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000 oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
III. Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt als qualifizierte Einrichtung i.S.v. §§ 3, 4 UklaG von dem beklagten Energie-Versorgungsunternehmen (SVS) die Unterlassung der Verwendung verschiedener Klauseln, welche in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) für den Eigenverbrauch im Haushalt enthalten sind.
Im Streit waren noch die Klauseln 6.3 Satz 1, 2, 4 und 5, bezüglich derer das LG das Unterlassungsbegehren des Klägers als begründet ansah; hierauf bezog sich die Berufung der Beklagten. Die Berufung des Klägers wandte sich (u.a.) gegen die Klausel 13.2. Satz 3, welche das LG für wirksam erachtete.
Bezüglich beider Streitpunkte hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eine strafbewährte Unterlassungserklärung abgegeben, worauf die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt und die Beklagte ihre Kostentragungspflicht anerkannt hat.
Im Streit ist deshalb nur noch die Klausel 4.5. mit folgendem Wortlaut:
4.5. Ist der Kunde der SVS aus mehreren Schuldverhältnissen und/oder der Stadt aus dem öffentlich-rechtlichen Abwasseranschluss- und -nutzungsverhältnis, für welches die SVS die Forderungseinziehung betreibt zu gleichartigen Leistungen verpflichtet, und reicht das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, so werden die Schulden unter Abbedingung des § 366 BGB in folgender Reihenfolge getilgt:
1. Forderungen der Stadt aus dem öffentlich-rechtlichen Abwasseranschluss- und -nutzungsverhältnis
2. Forderungen der SVS aus Stromlieferungen
3. Forderungen der SVS aus Erdgaslieferungen
4. Forderungen der SVS aus Fernwärmelieferungen
5. Forderungen der SVS aus etwaigen Stromnetzzugangs- und Erdgasnetzzugangsverträgen
6. Forderungen der SVS aus Wasserlieferungen
7. Sonstige Forderungen.
Auch diese Klausel hat das LG für wirksam erachtet. Mit seiner Berufung erstrebt der Kläger, die Beklagte auch insoweit zur Unterlassung zu verurteilen.
II.1. Die Berufung des Klägers ist begründet. Die Klausel Ziff. 4.5. benachteiligt den Kunden unangemessen und genügt deshalb der Inhaltskontrolle nach §§ 1 UKlaG, 307 BGB nicht.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung können grundsätzlich auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Tilgungsbestimmungsregelungen des § 366 BGB abbedungen werden, allerdings nur dann, wenn in der an die Stelle des Gesetzes tretenden Regelung die Belange auch des Schuldners in angemessener Weise berücksichtigt werden. Insbesondere muss er bei der Erfüllung wissen, auf welche Schuld er leistet (BGH, Urt. v. 20.6.1984 - VIII ZR 337/82, NJW 1984, 2404). Unwirksam ist eine Klausel, die es einem Gläubiger erlaubt, nach seinem billigen Ermessen die Zahlung auf die Forderungen zu verrechnen (BGH, Urt. v. 9.3.1999 - XI ZR 155/98, NJW 1999, 2043). Der BGH hat in einer konkreten Klausel in einem Bausparvertrag bezüglich Zahlungsverrechnungen keine Unangemessenheit erkannt, weil die in der Klausel bestimmte Tilgungsreihenfolge keineswegs sachwidrig oder ungewöhnlich gewesen sei (Ur...