Verfahrensgang
LG Heidelberg (Urteil vom 21.01.2015; Aktenzeichen 4 O 38/08) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten zu 1 und 3 gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 21. Januar 2015 (4 O 38/08) wird zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung der Beklagten zu 2 wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 21. Januar 2015 (4 O 38/08) aufgehoben, soweit es die Beklagte zu 2 betrifft. In diesem Umfang wird die Klage abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten erster Instanz tragen der Kläger und die Beklagten zu 1 und 3 gesamtschuldnerisch jeweils zur Hälfte. Die Gerichtskosten des Berufungsrechtszugs tragen der Kläger zu 1/3, die Beklagten zu 1 und 3 gesamtschuldnerisch zu 2/3. Die Beklagten zu 1 und 3 haben als Gesamtschuldner die außergerichtlichen Kosten des Klägers erster Instanz zur Hälfte und die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsrechtszug zu 2/3 zu erstatten. Im Übrigen behält der Kläger seine außergerichtlichen Kosten auf sich. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 4 im ersten Rechtszug und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 in beiden Instanzen.
4. Dieses Urteil und die angefochtene Entscheidung, soweit sie aufrechterhalten bleibt, sind vorläufig vollstreckbar. Die jeweiligen Vollstreckungsschuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
I.
Der am 01.06.2003 als zweites Kind seiner damals 28 Jahre alten Mutter geborene Kläger nimmt die Beklagten wegen einer behaupteten fehlerhaften geburtshilflichen Behandlung in Anspruch. Die Beklagte zu 2 ist die Chefärztin der gynäkologischen Abteilung der Beklagten zu 1, die Beklagte zu 3 ist die bis 9:00 Uhr und die Beklagte zu 4 die ab 9:00 Uhr (mit Überschneidungen) am Geburtstag diensthabende Assistenzärztin.
Die Mutter des Klägers begab sich am 01.06.2003 um 7:45 Uhr mit Wehentätigkeit in die Behandlung des Beklagten zu 1. Um 08:15 Uhr erfolgte die stationäre Aufnahme. Hierbei wurde im Rahmen der Eingangsuntersuchung ein weicher Bauch der Mutter des Klägers festgestellt. Eine Vaginalblutung lag nicht vor. In dem geburtshilflichen Dokumentationsblatt ist unter anderem unter 08:15 Uhr notiert:
„Aufnahme der Patientin i.d. 39 + 1 SSw mit Wehen seit 6.00, Wehen häufig, zw Wehen schmerzfrei, Bauch weich.”
Eine Ultraschalluntersuchung wurde nicht durchgeführt. Es wurde um ca. 8:20 Uhr ein CTG-Gerät angeschlossen und eine fünf Minuten andauernde Bradycardie bis herunter auf 80 spm festgestellt. Daraufhin wurden insgesamt 8 ml des Tokolytikums Partusisten (ein wehenhemmendes Mittel) verabreicht. Die Herzfrequenz steigerte sich daraufhin auf 110 spm um 9:00 Uhr.
Um etwa 09:05 Uhr dokumentierte die Hebamme auf dem CTG-Streifen: „Aufforderung an [die Beklagten zu 3 und 4], Chefärztin zu informieren.” Um 09:15 Uhr haben die Beklagten zu 3 und 4 die den Hintergrunddienst versehende Chefärztin, die Beklagte zu 2, informiert. Telefonisch gab diese die Anweisung, die Tokolyse höher zu dosieren und fortzuführen, bis Wehenfreiheit eintrete, und einen Kaiserschnitt vorzubereiten. Daraufhin wurde das Tokolytikum als Dauerinfusion mit steigender Dosierung verabreicht.
Die Beklagte zu 2 traf um 09:45 Uhr im Kreißsaal ein und bestätigte um 09:55 Uhr die Entscheidung zu einer Sectio, die mittels Spinalanästhesie durchgeführt wurde. Um 10:24 Uhr wurde der Kläger mittels Kaiserschnitts entwickelt. Bei der Mutter des Klägers wurde das Vorliegen einer vorzeitigen Teilablösung der Plazenta festgestellt.
Kurz nach der Entwicklung des Klägers zeigte sich, dass dieser reanimationspflichtig wurde. Die Reanimation wurde durch die Beklagte zu 2 und den hinzugerufenen Anästhesisten Dr. D. durchgeführt, bis der Babynotarzt mit dem Kinderrettungswagen eintraf und den Kläger übernahm. Dr. D. fertigte hierüber ein Protokoll, das einen Eingangsstempel der Verwaltung des St. J.-Krankenhauses vom 06.12.2005 trägt.
Der Kläger leidet an einem schwersten hypoxisch-ischämischen Hirnschaden. Er behauptet, das Kardiotokogramm weise über die gesamte Zeit von 08.30 Uhr bis zur Entwicklung des Klägers einen pathologisch sinusoidalen Verlauf auf, der die Indikation zu einer Notsectio begründet habe. Darüber hinaus sei es pflichtwidrig, dass kein Ultraschall durchgeführt worden sei. Schon um 08:30 Uhr hätte ein zuständiger kompetenter Arzt hinzugerufen werden müssen. Um 09:00 bzw. 09:30 Uhr spätestens hätte die Indikation zu einer Notsectio gestellt werden müssen. Die sog. E-E-Zeit ab der endgültigen Indikation der Sectio um 09:55 Uhr bis zur Entwicklung des Kindes sei mit 29 Minuten zu lang gewesen.
Der Kläger macht ein Schmerzensgeld i.H. von mindestens 500.000,00 EUR, einen materiellen Schaden im Wesentlichen bestehend aus dem Mehraufwand für die Pflege des Klägers sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für weitere...