Leitsatz (amtlich)
1. Die Gründung eines kommunal geprägten Beteiligungsunternehmens, an dem die Gemeinde beteiligt ist, ist für sich allein genommen kein Beleg für eine unsachliche und nicht den Zielen des § 1 EnWG entsprechende Vorfestlegung der Kommune zugunsten desselben im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe von Wegenutzungsrechten. Ebenso wenig genügt allein der politische Wille zur Rekommunalisierung.
2. Es ist grundsätzlich mit dem Transparenzgebot vereinbar, dass ein Bewerber bei der Bewertung die volle Punktzahl erhält, weil die anderen Bewerber noch schlechtere oder keine Angebote zu diesem Unterkriterium abgegeben haben, obwohl er (absolut betrachtet) ein schlechtes Angebot abgegeben hat (sog. relative Bewertungsmethode, entgegen LG Stuttgart, Urt. v. 05.04.2016 - 41 O 43/14 KfH, Rn. 48).
3. Wird die relative Bewertungsmethode angewandt, muss sich im Vorhinein bestimmen lassen, welchen Erfüllungsgrad (Zielerreichungsgrad) die Angebote bei den jeweiligen Unterkriterien aufweisen, um das jeweils beste Angebot mit dem höchsten Erfüllungsgrad und die darauf zu machenden Abschläge für die schlechteren Angebote ermitteln zu können.
4. Beteiligt sich die Gemeinde durch ein Beteiligungsunternehmen selbst an dem Vergabeverfahren, so ist sie verpflichtet, den potenziellen Bietern die Bewertungsmethode zur Kenntnis zu bringen, anhand deren sie eine konkrete Bewertung der Angebote hinsichtlich der zuvor in den Auftragsdokumenten festgelegten Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung vornimmt, da andernfalls die Gefahr einer willkürlichen Auswahl bestünde. Der Wettbewerb als solcher sowie die Bieterunternehmen sind vor der Gefahr von Manipulationen durch Festlegen und Bekanntgeben transparenter Bewertungsmaßstäbe zu schützen.
5. Bewertet der Konzessionsgeber bei der Ausschreibung unter den Zielen des § 1 EnWG die Effizienz (hier: 17 Punkte) gegenüber der Preisgünstigkeit (hier: 11 Punkte) geringfügig besser, so ist dies nicht willkürlich und überschreitet nicht den eingeräumten Beurteilungsspielraum.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 02.09.2016; Aktenzeichen 22 O 18/16 Kart) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des LG Mannheim vom 02.09.2016 - Az. 22 O 18/16 Kart - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 26.09.2016 hinsichtlich der Kosten aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Der Verfügungsbeklagten wird untersagt, aufgrund des Ratsbeschlusses vom 09.05.2016 einen Wegenutzungsvertrag über den Betrieb des Stromverteilnetzes der allgemeinen Versorgung für das Stadtgebiet der Verfügungsbeklagten ("Stromkonzessionsvertrag") abzuschließen, bis in einem neuen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts durchzuführenden Auswahlverfahren diskriminierungsfrei über die Vergabe der Stromkonzession entschieden ist.
2. Der Verfügungsbeklagten werden für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das in Ziffer 1 genannt Verbot Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft, die Ordnungshaft jeweils zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter, bis zu 6 Monaten angedroht.
3. Der Antrag der Verfügungsbeklagten, die Vollziehung der einstweiligen Verfügung von der Zahlung einer angemessenen Sicherheit abhängig zu machen, wird abgelehnt.
4. Die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten der Streithelferin, die diese auf sich behält, trägt die Verfügungsbeklagte.
Gründe
I. Die Verfügungsbeklagte (fortan: Beklagte) ist eine Gemeinde. Zwischen der Beklagten und der Verfügungsklägerin (fortan: Klägerin) als Rechtsnachfolgerin der [Z.] AG bestand ein Konzessionsvertrag, nach dem sich die Beklagte verpflichtet hatte, der Klägerin ihre öffentlichen Wege für die Verlegung und den Betrieb von Stromleitungen im Gemeindegebiet zur Verfügung zu stellen. Dieser Vertrag endete zum 01.11.2012.
Die Beklagte und mehrere benachbarte Gemeinden betrieben vor Ende der jeweiligen Konzessionsverträge ein erstes Konzessionierungsverfahren. Das erste Konzessionierungsverfahren endete damit, dass die Beklagte am 07.03.2012 und die Gemeinden [A.] (am 10.02.2012), [B.], [C.], [D.] (am 28.02.2012) und [F.] (am 15.02.2012) mit der Streithelferin ([Y.]) Konzessionsverträge schlossen. Die Beklagte gründete mit diesen Gemeinden, der Streithelferin und der [X.] AG & Co. KG die [W.] GmbH & Co. KG (fortan: [W.]), die als Vertriebsunternehmen für Strom und Gas tätig ist. Deren Gründung wurde im Herbst 2012 beschlossen. Die Eintragung in das Handelsregister erfolgte im November 2012 (Anlage AG 42 II). An diesem Unternehmen sind die genannten Kommunen mit insgesamt 51 %, die Streithelferin und die [X.] AG & Co. KG mit jeweils 24,5 % beteiligt. Darüber hinaus gründeten die Beklagte und die genannten Gemeinden die [V.]... Gesellschaft mbH und Co. KG ([V.]), die mit 10,752 % an der Streithelferin ([Y.]) beteiligt ist.
Der Senat hat mit Urteil vom 26.03.2014 (Az. 6 U 68/13, WuW/E DE-R 4279) rechtskräftig festgestellt, dass die Streithelferin gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Überga...