Leitsatz (amtlich)

Hält ein Vernehmungsbeamter einem Beschuldigten, der nicht selbst einer Katalogtat i.S.v. § 100a StPO verdächtig ist, Erkenntnisse vor, die ausschließlich aus einer gegen einen anderen Beschuldigten angeordneten Telefonüberwachung stammen, so ist das hierauf abgelegte den Vorhalt bestätigende Geständnis des Beschuldigten auch dann unverwertbar, wenn der Vernehmungsbeamte ihm die Quelle seiner Erkenntnisse nicht genannt hat.

 

Normenkette

StPO §§ 100a, 100b Abs. 5

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.05.2003; Aktenzeichen 11 Ns 30 Cs 63 Js 28006/02)

 

Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des LG F. v. 14.5.2003 wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

I. Das AG F. erließ am 12.11.2002 gegen die Angeklagte einen Strafbefehl wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei Fällen über eine Gesamtgeldstrafe von 50 Tagesätzen zu je 20 Euro. Auf ihren Einspruch wurde sie durch das Urt. v. 30.1.2003 aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil wurde vom LG F. am 14.5.2003 als unbegründet verworfen. Hiergegen richtet sich die auf die Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die von der Generalstaatsanwaltschaft vertreten wird. Die Revision begehrt die Aufhebung des freisprechenden Urteils und die Zurückverweisung an eine andere Strafkammer des LG F.

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

II. Das LG hat keinen strafrechtlich relevanten Sachverhalt feststellen können.

Hierzu wird im Urteil ausgeführt:

Die Angeklagte ließ sich in der Berufungshauptverhandlung wie in der Hauptverhandlung vor dem AG nicht zur Sache ein. Der mutmaßliche Lieferant der Angeklagten, der Zeuge F., berief sich berechtigter Weise auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO und machte keine Angaben zur Sache. Die Angaben der Angeklagten bei ihrer polizeilichen Vernehmung v. 11.9.2002 ggü. dem Zeugen KK M. sah das LG als nicht verwertbar an, auch nicht ihre Einführung in die Hauptverhandlung durch die Vernehmung des damaligen Vernehmungsbeamten KK M.. Denn dieser Vernehmung war eine ggü. dem Zeugen F. wegen des Verdachts des Handels mit Betäubungsmitteln gem. § 100a Nr. 4 StPO angeordnete Telefonüberwachung vorausgegangen, bei der die Ermittlungsbehörden zufällig die Kenntnis erlangten, dass die Angeklagte bei F. unerlaubt Betäubungsmittel erworben haben sollte. Der Zeuge KK M. hatte die damalige Vernehmung der Angeklagten mit den Worten eingeleitet "ich weiß, dass Sie Kokain von Peter F. gekauft haben". Im weiteren Verlauf der Vernehmung hatte die Angeklagte dann Angaben zur Sache gemacht. Das LG nahm hinsichtlich dieser Angaben, die es als auf einem allein aus der Telefonüberwachung abgeleiteten Vorhalt beruhend und nicht als Ergebnis unabhängiger, selbständiger Ermittlungen ansah, ein Beweisverwertungsverbot gem. § 100b Abs. 5 StPO an, da es sich bei den der Angeklagten vorgeworfenen Taten weder um Katalogtaten i.S.d. § 100a StPO gehandelt noch ein direkter Zusammenhang zwischen den Taten des F. und denjenigen der Angeklagten bestanden habe.

III. 1. Die Beschwerdeführerin beanstandet mit der zulässig erhobenen Verfahrensrüge, das LG habe gegen die Grundsätze der Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) und der umfassenden Beweiswürdigung (§ 261 StPO) verstoßen, weil es sich gehindert gesehen habe, das Geständnis der Angeklagten in ihrer polizeilichen Vernehmung v. 11.9.2002 seinen Sachverhaltsfeststellungen zu Grunde zu legen, und insoweit von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen sei. Sie ist der Auffassung, es handele sich bei diesem Geständnis um ein von der gegen F. gerichteten Telefonüberwachung unabhängiges und deshalb verwertbares Ermittlungsergebnis.

Die Rüge erweist sich als unbegründet.

Das LG ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin zu Recht davon ausgegangen, dass die Angaben der Angeklagten bei ihrer polizeilichen Vernehmung v. 11.9.2002 unverwertbar sind. Sie beruhen auf einem unzulässigen Vorhalt der Erkenntnisse aus der gegen F. gerichteten Telefonüberwachung und durften daher nicht über die Vernehmung des Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführt werden.

Die Aufnahmen aus der gegen F. gerichteten Telefonüberwachung konnten wegen des Beweisverwertungsverbots des § 100b Abs. 5 StPO in der Hauptverhandlung gegen die Angeklagte nicht selbst als Beweismittel benutzt werden (BGH NStZ 1998, 426), da die ihr vorgeworfenen Straftaten nicht zu den sog. Katalogtaten des § 100a StPO gehören und auch nicht in einem engen Bezug zu einer Katalogtat stehen. Dass sie eine Abnehmerin des F. gewesen sein soll, bei dem die Voraussetzungen des § 100a Nr. 4 StPO vorgelegen hatten, reicht für die Annahme eines derartigen engen Bezuges nicht aus (BGH StV 1991, 208). Über die Unzulässigkeit der unmittelbaren Verwertung der Aufnahmen hinaus erstreckt sich das Beweisverwertungsverb...

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