Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz
Leitsatz (amtlich)
1. Auch der Betreiber eines Mineralthermalbades verstößt gegen seine Verkehrssicherungspflicht, wenn er in der Nahe des Beckenrandes eine beleuchtete Mauer im, Schwimmbecken, die nicht über die Wasseroberfläche hinausreicht, errichtet und keine Vorkehrungen dagegen trifft, daß jemand vom Beckenrand gegen die Mauer springt.
2. Zur Abwägung der Verursachungsbeiträge zwischen dem genannten Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht und der Sorgfaltspflichtverletzung desjenigen, der per
Kopfsprung vom Beckenrand gegen die beleuchtete Mauer springt (hier. 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Geschädigten).
3. Ein Teilurteil, das dem Kläger auf den materiellen Schaden einen „erstrangigen” Teilbetrag von 100000 DM zuspricht, ist unzulässig, wenn keine Zuordnung zu bestimmten Schadenspositionen erfolgt.
Verfahrensgang
AG Stuttgart (Aktenzeichen 1 O 499/95) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 23.04.1998 in Ziff. 2 aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird das Urteil wie folgt abgeändert:
- Die Klage ist dem Grunde nach in Höhe von 1/3 begründet.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von DM 100.000,00 nebst 4 % Zinsen hieraus seit 17.11.1993 zu zahlen.
- Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen Schaden in Höhe von 1/3 zu ersetzen, der der Klägerin aus dem Unfall vom 28.10.1992 im Thermalbad F., noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
II. Im übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Das Urteil ist zu I. 2. vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von DM 150.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Den Parteien wird nachgelassen, Sicherheit auch durch schriftliche, uneingeschränkte, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstitutes zu erbringen.
IV. Die Beschwer der Parteien übersteigt DM 60.000,00.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt Schadensersatz bzw. Feststellung der Schadensersatzpflicht und Schmerzensgeld nach einem Schwimmbadunfall.
Die Beklagte betreibt das E.-K.-Bad, ein Mineral-Thermalbad, in F. Die Klägerin, die seinerzeit noch in München wohnte, besuchte dieses Bad am 28.10.1992 gegen 17.15 Uhr erstmals in Begleitung ihres jetzigen Ehemanns.
Nach 17.30 Uhr suchte sie ein im Mai 1992 eröffnetes Außenbecken auf, das mit 28 bis 30 Grad Wassertemperatur eher dem sportlichen Schwimmen dienen soll, während ein anderes kleineres Außenbecken mit höherer Wassertemperatur für therapeutische Zwecke vorgesehen ist. An dem größeren Becken befinden sich keine Startblöcke oder andere Sprungeinrichtungen. Sämtliche Becken des Bades haben eine Wassertiefe von maximal 1,35 m.
Im Becken befindet sich in dem Bereich rechts der Treppe ein Boden-Luft-Sprudler („Whirl-Pool”), der mittels Luftdüsen betrieben wird, die in den Beckenboden eingelassen sind, am Unfalltag aber aus technischen Gründen nicht in Betrieb waren. Auf Höhe des Boden-Luft-Sprudlers war damals in Richtung Beckenmitte eine 2 bis 3 m lange, ca. 30 cm breite Mauer errichtet, die etwa bis zur Wasseroberfläche reichte und oben mit einem Handlauf versehen war. Sie diente dazu, den Effekt des Boden-Luft-Sprudlers zu erhöhen und Badegästen eine Stütze zu bieten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Örtlichkeit wird auf die Skizze (Anlage B 2) und die Lichtbilder (Anlagen B 7-9, B 13) verwiesen. Absperrungen oder Hinweisschilder unmittelbar in diesem Bereich waren nicht vorhanden.
Die Klägerin lief in Dauerlauf-Tempo auf das Außenbecken zu. Ob sie rechts vom Eingang des Beckens, der aus einer breiten Treppe mit vier Geländern besteht, mit einem Kopfsprung in das Becken sprang, ist umstritten. Sie ist Brillenträgerin (seinerzeit links minus 2,0, rechts minus 0,5 Dioptrien) und trug die Brille beim Baden nicht.
Die Klägerin wurde kurz darauf mit schweren Verletzungen zwischen der erwähnten Mauer und dem Beckenrand im Wasser treibend aufgefunden. Sie erlitt ein Schädel-Hirntrauma mit suduralem Hämatom rechts, eine Fraktur des 7. Halswirbelkörpers sowie des Domfortsatzes des 6. Halswirbelkörpers mit inkompl. Tetraplegie und sensiblen Ausfällen sowie eine neurogene Blasen-Mastdarmstörung, posttraumatische Syringomyelie in Höhe HWK 7, Recurrensparese rechts.
Die Lufttemperatur betrug am 28.10.1992 um 17.45 Uhr an der Station F. des Deutschen Wetterdienstes 8,0 Grad Celsius. Es regnete von früh bis 17.20 Uhr und ab 19.10 Uhr (Auskunft des Deutschen Wetterdienstes; II, 151).
Die Klägerin wurde notfallmäßig am 28.10.1992 wegen des Suduralhämatoms in der Chirurgischen Universitätsklinik operiert und versorgt. Sie befand sich bis 14.11.1992 auf der Intensivtherapiestation mit maschineller...