Leitsatz (amtlich)
1. Eingetragene Genossenschaften verfolgen einen Erwerbszweck und sind daher gem. Art. 3 Abs. 2 EWGRL 335/69 zur Anwendung der Gesellschaftssteuerrichtlinie den Kapitalgesellschaften gleichgestellt.
2. Die Verschmelzung zweier eingetragener Genossenschaften durch Aufnahme stellt eine gem. Art. 4 Abs. 1 lit. c EWGRL 335/69 der Gesellschaftssteuer unterliegende Erhöhung des Kapitals durch Einlagen dar.
3. Zur Auswirkung des Beschlusses des EuGH vom 21.3.2002 – Gründerzentrum – auf die zu erhebenden Gebühren für notarielle Leistungen, die von einem badischen Amtsnotar im Zusammenhang mit der Verschmelzung zweier eingetragener Genossenschaften erbracht worden sind.
(Fortführung von OLG Karlsruhe v. 24.9.2002 – 14 Wx 133/00, OLGReport 2002, 437 ff. = Rpfleger 2002, 655 ff.)
Normenkette
EWGRL 335/69 Art. 3 Abs. 2, Art. 4; KostO § 36 Abs. 2, §§ 39, 45, 47; UmwG §§ 6, 13, 16, 80; GenG §§ 1, 7, 157
Verfahrensgang
LG Konstanz (Aktenzeichen 6 T 175/00) |
Tenor
1. Auf die weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin wird der Beschluss des LG Konstanz vom 22.11.2000 – 6 T 175/00 – aufgehoben.
2. Auf die Beschwerde der Kostenschuldnerin wird unter Aufhebung des Beschlusses des AG Überlingen vom 28.7.2000 – UR 2/00 – die der Kostenrechnung der Landesoberkasse Metzingen vom 21.6.2000 (Kassenzeichen …) zugrundeliegende Kostenrechnung des Notariats I Überlingen vom 17.5.2000 – I UR 495–497/00 – aufgehoben.
3. Die Sache wird an das Notariat I Überlingen – Kostenbeamter – zur erneuten Entscheidung über die Kostenansätze hinsichtlich der Beurkundung des Verschmelzungsvertrages, der Beurkundung des Verschmelzungsbeschlusses und der Beurkundung der Anmeldung der Verschmelzung zum Genossenschaftsregister zurückgegeben.
4. Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
A. 1. Der Notar beim Notariat I Überlingen hat beurkundet:
a) am 18.4.2000 in der Urkunde I UR …/2000 – unter Verwendung eines Fremdentwurfs – den Verschmelzungsvertrag zwischen der V.-bank e. G. mit Sitz in Ü. (übernehmender Rechtsträger) und der S.- und K.-bank B. e. G. mit Sitz in B. (übertragender Rechtsträger) und
b) am 19.4.2000 in der Urkunde I UR …/2000 den in der Vertreterversammlung der V.-bank e.G. vom 18.4.2000 gefassten Verschmelzungsbeschluss.
Ferner hat der Notar am 19.4.2000 die Anmeldung der Verschmelzung zum Genossenschaftsregister beim AG Überlingen beurkundet (UR I …/2000).
Die der Beschwerdeführerin als Kostenschuldnerin übermittelte Kostenrechnung der Landesoberkasse Metzingen vom 21.6.2000 (AS. 65) weist folgende in der Kostenrechnung des Kostenbeamten des Notariats I Überlingen vom 17.5.2000 (AS. 63) angesetzte Gebühren und Auslagen nebst Umsatzsteuer aus:
Beurkundung des Verschmelzungsvertrags (§ 36 Abs. 2 KostO) 30.220,00 DM
Geschäfte außerhalb der Amtsstelle (§ 58 Abs. 1 KostO) 60,00 DM
Geschäfte außerhalb der Dienstzeit (§ 58 Abs. 3 KostO) 60,00 DM
Beurkundung des Beschlusses der Vertreterversammlung (§ 47 KostO) 10.000,00 DM
Geschäfte außerhalb der Amtsstelle (§ 58 Abs. 1 KostO) 60,00 DM
Geschäfte außerhalb der Dienstzeit (§ 58 Abs. 3 KostO) 60,00 DM
Schreibauslagen (§ 136 Abs. 1, Abs. 3 KostO) 53,00 DM
Beurkundung der Anmeldung zum Genossenschaftsregister (§ 38 Abs. 2 Nr. 7 KostO) 805,00 DM
Geschäfte außerhalb der Amtsstelle (§ 58 Abs. 1 KostO) 60,00 DM
Geschäfte außerhalb der Dienstzeit (§ 58 Abs. 3 KostO) 60,00 DM
16 % Umsatzsteuer aus 41.438 DM (§ 151a KostO) 6.630,08 DM
48.068,08 DM
3. Gegen die Kostenrechnung hat die Kostenschuldnerin mit Schriftsatz vom 29.6.2000 (AS. 67/69) Erinnerung eingelegt.
Sie wendet sich weder dagegen, als Kostenschuldnerin in Anspruch genommen zu werden, noch zieht sie in Zweifel, dass die Gebührenrechnung den Vorschriften der KostO entspricht. Unter Hinweis auf das Urteil des EuGH (EuGH v. 29.9.1999 – C-56/98 – Modelo, meint sie jedoch, die in Rechnung gestellten Notargebühren stellten in Wahrheit eine der – die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital betreffenden – Gesellschaftssteuerrichtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.7.1969 widersprechende Steuer dar. Die KostO sei im vorliegenden Fall wegen Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht unanwendbar; die Kostenrechnung sei – ggfls. nach den tatsächlichen Aufwendungen für die erbrachte Dienstleistung – neu zu erstellen.
Das AG Überlingen hat die Erinnerung durch Beschl. v. 28.7.2000 (AS. 73) zurückgewiesen.
Die dagegen gerichtete Beschwerde der Kostenschuldnerin (AS. 81/87) hat das LG Konstanz durch Beschl. v. 22.11.2000 (AS. 93/101) zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, bei dem von der Beschwerdeführerin beanstandeten Gebühren handele es sich um Abgaben mit Gebührencharakter, deren Erhebung auch nach der Gesellschaftssteuerrichtlinie zulässig sei. Dagegen wendet sich die – vom LG zugelassene – weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin (AS. 111/117).
B. Die infolge Zulassung (§ 14, Abs. 3, S. 2 KostO) statthafte und auch im Übrigen zulässige weitere Beschwerde ist teilweise begründet. Die angegri...