Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgemäße Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 8 VVG a.F. - Sonderbedingungen für das Gebiet der ehemaligen DDR bis 31.12.1991
Leitsatz (amtlich)
1. Westdeutsche Versicherer, die vor der Wiedervereinigung in der DDR tätig werden wollten, hatten sich gegenüber dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen verpflichtet, ihren Vertragsabschlüssen mit Bürgern der DDR bestimmte Sonderbedingungen zugrunde zu legen, die teilweise noch bis 31.12.1991 fortgalten. Insbesondere war den Versicherungsnehmern hinsichtlich des zehntägigen Widerrufsrechts nach § 8 Abs. 4 Satz 2 VVG a. F. einzuräumen, dass für die Fristwahrung die Absendung (Datum des Poststempels) und nicht - wie vom Gesetz vorgesehen - der Eingang beim Versicherer maßgebend sein sollte.
2. Eine dem entsprechende Widerspruchsbelehrung, die sich in einer insgesamt ein Blatt umfassenden, übersichtlich gestalteten und gesondert unterschriebenen Zusatzvereinbarung" zum Versicherungsantrag befindet, mit einer dick gedruckten Überschrift versehen und in einem Absatz kurz gefasst ist, ist formal ordnungsgemäß.
3. Dass der Versicherungsantrag in der Schlusserklärung eine Widerspruchsbelehrung enthält, die abweichend - entsprechend den gesetzlichen Vorgaben - für die Fristwahrung auf den Eingang beim Versicherer abstellt, schadet dann nicht, wenn die Zusatzvereinbarung ausdrücklich "abweichend und ergänzend ... zur Schlusserklärung im Versicherungsantrag ..." geschlossen ist.
Normenkette
VVG § 8 Fassung: 1991-01-01
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 11.07.2017; Aktenzeichen 8 O 368/16) |
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen und gezogenen Nutzungen nach Beendigung einer fondsgebundenen Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.
Der Vertragsschluss erfolgte 1991. Ihm lag ein Formularantrag zugrunde, der von dem auch damals in den neuen Bundesländern wohnhaften Kläger unterzeichnet worden war und unter der Überschrift "Wichtig für den Antragsteller und die zu versichernde Person" in einem eingerahmten Kasten neben zahlreichen weiteren Hinweisen sowie Erklärungen u.a. folgende, gegenüber dem übrigen Text nicht hervorgehobene, Belehrung enthielt:
"Ich kann meinen Antrag innerhalb von 10 Tagen nach seiner Unterzeichnung widerrufen, und zwar auch dann, wenn der Versicherer ihn bereits angenommen hat. Mein Widerruf wird nur wirksam, wenn er in schriftlicher Form innerhalb der genannten Frist beim Versicherer eingegangen ist."
Daneben hatte der Kläger bei Antragstellung ein weiteres einseitiges Dokument unterschrieben, das unter Ziff. 1 eine als "Zusatzvereinbarung" bezeichnete Passage enthält, die wie folgt lautet und gestaltet ist:
"ZUSATZVEREINBARUNG
für meinen Vertrag mit der ...
Abweichend und ergänzend zu den AVB für die Lebensversicherung und zur Schlußerklärung im Versicherungsantrag wird folgendes vereinbart:
Wann können Sie Ihren Antrag widerrufen?
Sie können Ihren Antrag innerhalb von 10 Tagen nach seiner Unterzeichnung widerrufen, und zwar auch dann, wenn wir ihn bereits angenommen haben. Ihr Widerruf wird nur wirksam, wenn er in schriftlicher Form innerhalb dieser Frist an uns abgesandt worden ist. Maßgebend ist das Datum des Poststempels."
Die Ziffer 1 mit der "Zusatzvereinbarung" nimmt ungefähr das obere Drittel des einseitigen Dokuments ein. Im unteren Bereich trägt dieses die Unterschrift des Klägers. Die äußere Form ist nachfolgend wiedergegeben:
((Abbildung))
Unter Ziffer 2 enthält das Dokument ergänzend zu beantwortende Fragen betreffend etwaige weitere Absicherungen für den Fall der Berufsunfähigkeit, die bei einer beantragten Barrente von mehr als 500 DM zu beantworten waren.
In der Folge bezahlte der Kläger Versicherungsbeiträge in Gesamthöhe von 19.445,25 EUR. Auf seine 2009 erfolgte Kündigung rechnete die Beklagte den Vertrag ab, wobei sie den Rückkaufswert zum 01.12.2009 nebst Überschussbeteiligung und Beteiligung an den Bewertungsreserven mit 20.714,61 EUR ermittelte und an den Kläger auszahlte. Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.07.2016 ließ der Kläger "den Widerspruch/Rücktritt/Widerruf" sowie hilfsweise die Kündigung erklären und verlangte die Rückabwicklung des Versicherungsvertrags, welche die Beklagte ablehnte.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger die Rückzahlung aller entrichteten Versicherungsbeiträge abzüglich der 2009 erhaltenen Auszahlung sowie die Herausgabe der von der Beklagten aus den Prämien gezogenen Nutzungen. Er macht geltend, ihm stehe ein Widerrufsrecht gemäß § 8 VVG in der Fassung vom 17.12.1990 zu, das bei seiner Ausübung noch nicht durch Fristablauf erloschen gewesen sei, weil die beiden Widerrufsbelehrungen in Antragsformular und Zusatzvereinbarung nicht hinreichend hervorgehoben gewesen seien. Zudem sei die Formulierung "Abweichend und ergänzend" zu Beginn der Zusatzvereinbarung verwirrend, weil sich beide Begriffe gegenseitig ausschlössen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg.
Entscheidun...