Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozessführung des Testamentsvollstreckers über Erbenstellung eines Erbprätendenten; Verwirkungsklausel
Leitsatz (amtlich)
1. Der Testamentsvollstrecker hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung, ob ein Erbprätendent, an dessen Berechtigung er zweifelt, Erbe ist. Die hierauf gerichtete Prozessführung des Testamentsvollstreckers liegt daher im Rahmen seiner Verwaltungstätigkeit.
2. Kommt in ihr eine entsprechende Zweckrichtung zum Ausdruck, so kann auch eine unbestimmte Verwirkungsklausel aufrechtzuerhalten und dahin auszulegen sein, dass die Zuwendung dann entfällt, wenn sich der Bedachte gegen den Willen des Erblassers auflehnt.
3. Ob Verhaltensweisen ihrer Art und ihrem Gewicht nach als zum Verlust des Erbrechts führende "Auflehnung" anzusehen sind, ist durch Auslegung des Testaments zu ermitteln. Maßgeblich ist dabei allein der im Testament zum Ausdruck kommende Erblasserwille.
4. Das vom Bedachten an den Testamentsvollstrecker gerichtete bestimmte Verlangen einer der klaren testamentarischen Anordnung widersprechenden vorzeitigen Beendigung der Testamentsvollstreckung kann als zum Verlust der Zuwendung führende Auflehnung gegen den Erblasserwillen zu werten sein.
5. Späteres Verhalten des Bedachten lässt den von ihm herbeigeführten Eintritt der Verwirkung der Zuwendung nicht entfallen.
Verfahrensgang
LG Offenburg (Urteil vom 15.10.2002; Aktenzeichen 2 O 370/01) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Offenburg vom 15.10.2002 - 2 O 370/01 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass der Beklagte Nr. 1 - B.-R.B. - im Verhältnis zum Kläger nicht als Miterbe am Nachlass des am 15.10.1995 verstorbenen Erblassers O.B. anzusehen ist und zwischen dem Kläger und der Beklagten Nr. 2 - S.P.-B. - nicht ein Rechtsverhältnis besteht, wie es zwischen dem Testamentsvollstrecker und der Erwerberin eines Erbteils entsteht.
Die beiden Beklagten tragen von den erstinstanzlichen Gerichtskosten: jeweils 1/3, von den erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten des Klägers: jeweils 1/3, ihre eigenen außergerichtlichen Kosten erster Instanz und die Kosten der Berufung.
Der Kläger trägt 1/3 der erstinstanzlichen Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen der Beklagten Nr. 3 ganz.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der den Beruf eines Rechtsanwalts ausübende Kläger ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am 15.10.1995 im Alter von 83 Jahren verstorbenen Erblassers O.B., der bis zu seiner Pensionierung Notariatsdirektor gewesen war. Der Erblasser hatte seine beiden aus der Ehe mit der nach ihm verstorbenen Frau H.B. hervorgegangenen Kinder - den Beklagten Nr. 1 und die Beklagte Nr. 3 - testamentarisch zu Erben eingesetzt. Der Beklagte Nr. 1 hat - ohne dem Testamentsvollstrecker hiervon Mitteilung zu machen - seinen Erbteil mit Vertrag vom 4.4.1997 auf seine Ehefrau, die Beklagte Nr. 2, übertragen.
Zum Nachlass gehören mehrere Hausgrundstücke. Dabei handelt es sich zum einen um das frühere Wohnhaus des Erblassers in O., Z-Str. 21, und zum anderen um mehrere vermietete Objekte in O. und H.
Das unter dem Datum 19.12.1994 errichtete eigenhändige Testament hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:
"Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass meine Ehefrau die Xyz- Krankheit im zweiten bis dritten Stadium hat und im Anwesen Z-Str. 21 seit über einem Jahr Pflege, Haushaltsführung, u.a. m. trotz Betreuung durch die U-Altenhilfe von Frau K.K. ohne Vergütung erfolgt ist, verfüge ich letztwillig wie folgt:
1. Die gesetzliche Erbfolge wird ausgeschlossen.
2. Für die höchstzulässige Dauer ordne ich Testamentsvollstreckung mit Verwaltungsbefugnis an.
3. Den Kindern
a) B.-R.B., Rechtsanwalt
b) G.B., Lehrerin, die je zu ½ erben,
habe ich seit ihrer Schulzeit schon vor Jahren Zuwendungen u.a. Studium, Anwesen, Wohnungsnutzung, Scheidungsausgleich u.a. m. zuteil kommen lassen, die lt. gesonderter Vereinbarung als Vorausempfang ausgeglichen sind.
4. Zu gemeinschaftlichen Testamentsvollstreckern mit Verwaltungsbefugnis ernenne ich:
a) Steuerberater K.N. in O.
b) Steuerberaterin H.S. in O.
wobei jeder berechtigt ist, seinen Ersatzvollstrecker selbst zu bestimmen, und wenn er dies nicht tut, dieses Recht dem Nachlassgericht zusteht.
Jedem Testamentsvollstrecker steht als jährliche Vergütung 2 % der jährlichen Mieteinnahmen und Auslagenersatz zu
5. ...
6. ...
7. Der Ehefrau steht am gesamten Grundbesitz-Nachlass auf Lebenszeit die Nutznießung zu, die zunächst für deren Unterbringung und pflegerische, sowie ärztliche Versorgung zu verwenden ist
8. Wer das Testament anficht, sich der Durchführung widersetzt oder sonstige erhebliche Schwierigkeiten bereitet wird unter Wide...