Leitsatz (amtlich)
Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung widerrufener Lebensversicherungsverträge steht der Berücksichtigung von Nutzungen nicht entgegen, dass der Versicherer gezogene Nutzungen bereits in den Auszahlungsbetrag nach Kündigung hat einfließen lassen. Der Auszahlungsbetrag stellt zunächst eine rein technische Rechengröße dar; in seiner Höhe ist der Rückabwicklungsanspruch erloschen. Das ändert aber nichts daran, dass die tatsächlich gezogenen Nutzungen als Rechenposition in die ursprüngliche Rückabwicklungsforderung des Klägers einzustellen sind.
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 29.07.2016; Aktenzeichen 10 O 641/15) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 29.07.2016 - 10 O 641/15 - im Kostenpunkt aufgehoben, im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.211,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.01.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger zu 77 % und die Beklagte zu 23 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht restliche Rückzahlungsansprüche nach Beendigung eines Rentenversicherungsvertrags geltend.
Der Kläger schloss im Jahr 2000 eine (teilweise fondsgebundene) Rentenversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung bei der Beklagten ab ("Start-Ziel-Renten-Police"; Antragsformular Anl. B1). Das Antragsformular enthält auf Seite 4 folgenden Passus:
Im Jahr 2008 kündigte der Kläger die Versicherung. Die Beklagte zahlte ihm den Rückkaufswert aus. Im Jahr 2015 erklärte der Kläger den "Widerspruch/Rücktritt/Widerruf" zum Versicherungsvertrag.
Mit der Klage hat er die Rückzahlung der eingezahlten Prämien nebst Nutzungen abzüglich des Rückkaufswerts gefordert; erstinstanzlich hat er insoweit einen Betrag von 13.872,77 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten geltend gemacht. Das LG hat die Klage insgesamt abgewiesen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger noch einen Teilbetrag von 3.327,64 EUR einschließlich entsprechender Nebenforderungen weiter.
II. Die Berufung ist insgesamt zulässig und überwiegend begründet. Der Kläger kann aufgrund des erklärten Rücktritts vom Versicherungsvertrag die Rückzahlung weiterer 3.211,30 EUR verlangen, § 346 Abs. 1 BGB.
1. Dem Kläger stand ein fortdauerndes Rücktrittsrecht zu, nachdem er nicht ordnungsgemäß belehrt worden war, § 8 Abs. 5 S. 3 VVG a.F.
a) Ohne Erfolg wendet sich der Kläger allerdings gegen den Ausgangspunkt des LG, dass der Vertragsschluss im Antragsmodell (§ 8 VVG a.F.) erfolgte. Die erforderlichen Unterlagen hatte der Kläger bereits bei Antragstellung erhalten, sie sind ihm nicht erst mit dem Versicherungsschein übermittelt worden (sog. Policenmodell nach § 5a VVG a.F.; vgl. BGH r+s 2015, 539). Der Kläger geht selbst davon aus, dass die garantierten Rückkaufswerte und die garantierten beitragsfreien Verrentungssummen schon im Versicherungsvorschlag enthalten waren und ihm damit bei Antragstellung zur Verfügung standen (AS II 21); er macht lediglich geltend, die garantierten Todesfallsummen seien ihm erst mit dem Versicherungsschein übermittelt worden. Letztere zählten jedoch nicht zu denjenigen Garantiewerten, über die die Beklagte nach der Anlage D zum VAG a.F., dort Abschn. I Nr. 2b) bis d) (i.V.m. §§ 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F., § 10a VAG a.F.), zwingend informieren musste.
b) Letztlich kann das freilich dahinstehen. Denn auch im Rahmen des Antragsmodells fehlt es an einer ordnungsgemäßen Belehrung (im Rahmen des Policenmodells wäre eine Belehrung im Antragsformular von vornherein unzureichend, BGH VersR 2016, 973 Rn. 18).
Die im Antragsformular enthaltene Belehrung war nicht ausreichend drucktechnisch hervorgehoben und konnte deshalb die Rücktrittsfrist des § 8 Abs. 5 S. 1 VVG a.F. nicht wirksam in Lauf setzen (vgl. § 8 Abs. 5 S. 3 VVG a.F.). Zwar war eine drucktechnische Hervorhebung der Belehrung vom Wortlaut des § 8 Abs. 5 VVG a.F. nicht ausdrücklich vorausgesetzt. Zur Erreichung ihres gesetzlichen Zweckes muss die Belehrung aber inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein. Das erfordert eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln (BGH VersR 2015, 224 Rn. 16 mwN.).
Die dem Kläger erteilte Belehrung genügt diesen Anforderungen nicht. Sie ist inmitten eines Textblockes abgedruckt, der Verweise auf andernorts abgedruckte Erklärungen und Hinweise sowie weitere Informationen, unter anderem über die Ermächtigung zur Entbindung von der Schweigepflicht, zur Datenverarbeitung und zum Widerspruchsrecht in der Unfallversicherung, enthält. Inn...