Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftsanspruch des Nacherben gegen den Vorerben
Leitsatz (amtlich)
1. Zwischen einer Auskunft über den "Bestand der Erbschaft" (§ 2127 BGB) und dem "Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände" (§ 2121 Abs. 1 BGB) gibt es keinen inhaltlichen Unterschied. Der Nacherbe kann daher eine Klage gegen den Vorerben auf Auskunft über den (aktuellen) "Bestand der Erbschaft" - ohne begründete Besorgnis von Pflichtverletzungen im Sinne von § 2127 BGB - auf § 2121 BGB stützen, solange der Vorerbe noch kein Verzeichnis im Sinne dieser Vorschrift erstellt hat.
2. Das vom Vorerben zu erstellende Verzeichnis gemäß § 2121 Abs. 1 BGB muss sich auch dann auf den Tag der Aufnahme beziehen, wenn es erst mehrere Jahre nach dem Tod des Erblassers erstellt wird. Sind zwischen dem Tod des Erblassers und dem Zeitpunkt der Aufnahme Veränderungen bei den Erbschaftsgegenständen eingetreten, muss das Verzeichnis diese Umstände berücksichtigen und auch die Ersatzstücke (§ 2111 BGB) vollständig angeben.
Normenkette
BGB §§ 2111, 2121 Abs. 1, § 2127
Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 23.03.2015; Aktenzeichen 5 O 331/14 M) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil des LG Konstanz - M 5 O 331/14 - vom 23.03.2015 im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, den Klägerinnen Auskunft über den Bestand des Nachlasses nach K. W., geb. M., zuletzt wohnhaft R. Straße 32, Ra., verstorben am 29.08.2013 in Ra., geb. am 29.09.1936 in A., zu erteilen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerinnen verlangen als Nacherben von dem Beklagten als Vorerben Auskunft über den Bestand des Nachlasses der verstorbenen Frau K. W..
Die beiden Klägerinnen sind Töchter von Frau K. W., geb. M.. Diese ist am 29.08.2013 gestorben. Ein Bruder der Klägerinnen ist im Jahr 2008 vorverstorben. Der Beklagte ist der zweite Ehemann der verstorbenen Frau K. W..
Die Verstorbene hatte am 17.09.2004 ein notarielles Testament errichtet, in welchem sie ihren Ehemann, den Beklagten, zum nicht befreiten Vorerben und ihre Kinder als Nacherben einsetzte. Der Nacherbfall sollte beim Tode des Beklagten eintreten. Nach dem Tod der Erblasserin erklärte der Beklagte am 19.09.2013 die Annahme der Erbschaft als Vorerbe. Auf einem vom Notariat übersandten Formular gab er gleichzeitig die "Nachlassmasse" mit ungefähr 260.000,00 EUR ("Guthaben bei Banken, Sparkassen...") an (vgl. die Unterlagen im Anlagenheft).
Der Beklagte übersiedelte später nach Thailand. Bei den Klägerinnen entstand die Sorge, der Beklagte verletze durch seine Verwaltung die Rechte der Nacherben. Sie haben im Verfahren vor dem LG geltend gemacht, es sei möglich, dass der Beklagte in Thailand Investitionen tätige, welche den Klägerinnen unbekannt seien. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Bestandteile der Erbschaft an die Kinder des Beklagten aus dessen erster Ehe gelangen könnten. Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, ihnen stehe ein Auskunftsrecht gemäß § 2127 BGB über den Bestand der Erbschaft zu.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er habe bei seiner Verwaltung der Erbschaft keine Rechte der Klägerinnen verletzt. Der Umstand, dass er seinen Wohnsitz nunmehr in Thailand habe, rechtfertige kein Auskunftsrecht der Klägerinnen gemäß § 2127 BGB.
Mit Urteil vom 23.03.2015 hat das LG die Klage abgewiesen. Der Beklagte sei zur Auskunft über den Bestand der Erbschaft nicht verpflichtet. Eine solche Verpflichtung komme nur unter den Voraussetzungen von § 2127 BGB in Betracht. Der Sachvortrag der Klägerinnen sei nicht ausreichend, um eine Besorgnis zu rechtfertigen, dass der Beklagte Rechte der Klägerinnen als Nacherben beeinträchtige.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerinnen. Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung aus rechtlichen und aus tatsächlichen Gründen für fehlerhaft. Das LG habe den Sachvortrag der Klägerinnen zu möglichen Beeinträchtigungen des Bestandes der Erbschaft durch das Handeln des Beklagten unzureichend gewürdigt. Außerdem ergebe sich der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht nur aus § 2127 BGB, sondern bereits aus § 2121 BGB (Erstellung eines Verzeichnisses der Erbschaftsgegenstände). Die Klägerinnen beantragen, das angefochtene Urteil des LG Konstanz - M 5 O 331/14 - vom 23.03.2015 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerinnen Auskunft über den Bestand des Nachlasses nach K. W., geb. M., zuletzt wohnhaft R. Straße 32, Ra., verstorben am 29.08.2013 in Ra., geb. am 29.09.1936 in A., zu erteilen, hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, den Klägerinnen ein Verzeichnis der zur Erbschaft nach K. W., geb. M., zuletzt wohnhaft R. Straße 32, Ra., verstorben am 29.08.2013 in Ra., geb. am 29.09.1936 in A., gehörenden Gegenstände mitzuteilen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des LG Konstanz vom 23.03.2015 zurückzuw...