Entscheidungsstichwort (Thema)
Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Presseveröffentlichung; relative Person der Zeitgeschichte
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist nicht nach § 201a StGB strafbar, von einem Nachbargrundstück aus einen sich in seiner hell erleuchteten Anwaltskanzlei hinter einem vorhanglosen Fenster aufhaltenden Rechtsanwalt zu fotografieren.
2. Ein Rechtsanwalt, bei dem es sich um den langjährigen Vorsitzenden einer großen Fraktion des Gemeinderats einer mittelgroßen Stadt handelt, die auf Antrag einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität im Rahmen einer spektakulären Aktion durchsucht wurde, ist eine relative Person der Zeitgeschichte. Sein Bildnis darf ohne seine Einwilligung veröffentlicht werden.
3. Wer eine Geldentschädigung wegen einer durch Presseveröffentlichung bewirkte Verletzung seines Persönlichkeitsrechts verlangt, muss substantiiert darlegen, dass und inwiefern gerade die beanstandete Veröffentlichung zu schwerwiegenden immateriellen Schadensfolgen geführt hat. Der allgemeine Hinweis auf mit der Veröffentlichung verbundene "Peinlichkeiten" genügt hierfür nicht.
4. Der auf Zahlung einer Geldentschädigung durch eine Presseveröffentlichung gerichtete Anspruch ist ggü. anderweitigen Ausgleichsmöglichkeiten subsidiär und setzt ein unabweisbares Bedürfnis voraus.
Normenkette
BGB § 823; StGB § 201a; KUG § 23 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Offenburg vom 22.6.2005 - 2 O 95/05 - wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger (A.) ist in X. als Rechtsanwalt tätig und dort u.a. auch als Kommunalpolitiker bekannt. Die Beklagte Nr. 1 verlegt auch das im Raum X. vertriebene "X-er Tageblatt", dessen Chefredakteur der Beklagte Nr. 2 ist. In der Ausgabe vom 6./7.11.2004 des "X-er Tageblatts" erschien auf der Titelseite unter der Überschrift "Kapitaler Schlag gegen die Gewinnspiel-Branche" ein vom Beklagten Nr. 2 verfasster Artikel, dessen Gegenstand eine vom AG Mannheim auf Antrag der dortigen Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität angeordnete und in der Nacht vom 4. zum 5.11.2004 durchgeführte Durchsuchung der vom Kläger zusammen mit seinem damaligen Sozius, Rechtsanwalt B., betriebenen Anwaltskanzlei war. Über dem Artikel war ein von außen durch ein Fenster aufgenommenes Bild plaziert, das den Kläger zusammen mit Kriminalbeamten während der Durchsuchung zeigt. Gegen Rechtsanwalt B. - der damals in Untersuchungshaft genommen wurde und von dem sich der Kläger inzwischen getrennt hat - sowie andere Personen ermittelt die Staatsanwaltschaft Mannheim wegen verschiedener Delikte. Es ist unstreitig, dass sich die zu der Durchsuchung führenden Ermittlungen nicht auch gegen den Kläger gerichtet haben. Erst später wurde gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen einer im Zusammenhang mit der Durchsuchung begangenen Straftat eingeleitet.
Mit der Begründung, er sei durch die inkriminierte Veröffentlichung in schwerwiegender Weise in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt worden, nimmt der Kläger die Beklagten auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch. Erstinstanzlich hat er eine solche i.H.v. mindestens 25.000 EUR für gerechtfertigt gehalten.
Wegen des vom Kläger verfolgten Anspruchs und des zugrundeliegenden Sachverhalts im Einzelnen, wegen des Vorbringens der Parteien sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit Urteil vom 22.6.2005 hat das LG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zwar werde durch die beanstandete Wort- und Bildberichterstattung der falsche Eindruck erweckt, der Kläger sei in die Machenschaften der Gewinnspielbranche in strafbarer Weise verwickelt. Der dadurch bewirkte Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht sei indessen nicht so schwerwiegend und das die Beklagten treffende Verschulden sei nicht so groß, dass deswegen eine Geldentschädigung erforderlich wäre. Die Folgen der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts seien zudem durch die erfolgreiche Geltendmachung von Gegendarstellungs- und Unterlassungsansprüchen sowie durch den im "X-er Tageblatt" erfolgten Abdruck eines mit dem Kläger geführten Interviews umfassend ausgeglichen worden, so dass ein unabwendbares Bedürfnis für eine Geldentschädigung nicht bestehe.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren auf Zahlung einer Geldentschädigung weiter, wobei er deren Mindesthö...