Entscheidungsstichwort (Thema)

Pressemitteilung als Amtsausübung; Amtspflichtverletzung; Aussagegehalt eines Zeitungsartikels

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Aufgabe einer Behörde gehört auch die Informierung der Presse über solche die Öffentlichkeit berührenden Vorgänge, die den der Behörde gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich betreffen.

2. Bei der äußerungsrechtlichen Bewertung eines Zeitungsartikels, der einen einheitlichen und erst durch den Zusammenhang verständlichen Gedanken wiedergibt, dürfen nicht die einzelnen Sätze oder bestimmte Einzelformulierungen isoliert untersucht werden, vielmehr muss auf den gesamten zusammenhängenden Text abgestellt werden.

3. Der Aussagegehalt eines Zeitungsartikels bestimmt sich nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittslesers eines derartigen Presseprodukts (hier: des Lesers des Lokalteils einer Regionalzeitung).

4. Die Herausgabe einer Pressemitteilung, in der wahrheitsgemäß und sachlich über eine Gerichtsverhandlung berichtet wird, die die Praktiken eines in der Mitteilung nicht namentlich genannten Unternehmens zum Gegenstand hatte, stellt keine Amtspflichtverletzung dar.

 

Normenkette

GG Art. 34 S. 1; BGB § 823 Abs. 1, § 824 Abs. 1, §§ 826, 839

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 08.11.2001; Aktenzeichen 2 O 526/00 He)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Konstanz vom 8.11.2001 - 2 O 526/00 He - wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt auch die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 3.171.609,50 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die in R. ein Bauunternehmen betreibende Klägerin hat zwischen August 1992 und April 1994 auch britische Arbeiter beschäftigt. Diese waren tätig geworden aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und einer inzwischen nicht mehr existierenden britischen Firma, die keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG hatte. Im Jahr 1995 leitete die - damals noch Bundesanstalt für Arbeit genannte - Beklagte durch die zuständige Bearbeitungsstelle zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung beim Arbeitsamt V. ein durch ihren Mitarbeiter R. K. geführtes Bußgeldverfahren gegen die Klägerin ein, in dessen Verlauf sie auch das zuständige Finanzamt und die LVA Baden-Württemberg informierte. Durch Bußgeldbescheid vom 6.2.1996 setzte das Arbeitsamt V. gegen den Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin als Betroffenen eine Geldbuße i.H.v. 15.000 DM und gegen die Klägerin als Nebenbeteiligte eine dem angenommenen wirtschaftlichen Vorteil entsprechende Geldbuße i.H.v. 270.000 DM fest. Hinzu kamen für den Geschäftsführer Verfahrenskosten i.H.v. 5.126 DM und für die Klägerin solche i.H.v. 12.500 DM. Nach Einspruchseinlegung wurden durch Urteil des AG V. vom 4.3.1997 der Betroffene zu einer Geldbuße von 15.000 DM und die Nebenbeteiligte zu einer Geldbuße von 150.000 DM verurteilt. Nach der Hauptverhandlung kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen Herrn R. K. und einem Sohn des Betroffenen. Am 8.3.1997 erschien in den Regionalteilen R., B. und L. der "Sch. Zeitung" folgender Artikel, der auf den Informationen des Mitarbeiters der Beklagten, R. K., beruhte:

Illegale beschäftigt - 165.000 DM Geldbuße

R. (sz) - Zu Geldbußen von zusammen 165.000 DM wurde vom AG V. der Geschäftsführer einer Baufirma aus dem Raum R. verurteilt. Hintergrund war der Einsatz von 26 illegalen englischen Leiharbeitern, die in beinahe zwei Jahren weit über 35.000 Stunden eingesetzt wurden. Die Arbeiter kamen über eine holländisch-englische Scheinfirma, die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Millionenhöhe hinterzogen hat. Hierfür muss die deutsche Firma nun geradestehen. Wegen der Verurteilung kam es noch im Gerichtsgebäude zu Beleidigungen der Ermittlungsbeamten und fast zu Handgreiflichkeiten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen und der Nebenbeteiligten - der jetzigen Klägerin - hat der 3. Bußgeldsenat des OLG Karlsruhe durch Beschluss vom 16.3.1998 das Urteil vom 4.3.1997 aufgehoben und die Sache an das AG zurückverwiesen. Dort einigten sich die Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung vom 8.2.1999 dahingehend, dass das Arbeitsamt den Bußgeldbescheid vom 5.1.1996 zurücknehme und einen neuen Bußgeldbescheid erlasse, der - von fahrlässiger Tatbegehung und einer auf 60.000 DM begrenzten Gewinnabschöpfung ausgehend - gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 5.000 DM und gegen die Nebenbeteiligte eine solche von 60.000 DM festsetzte. Der sodann auf dieser Grundlage ergangene Bußgeldbescheid wurde rechtskräftig.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aufgrund des Zeitungsartikels vom 8.3.1997 im Wege der Amtshaftungs...

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