Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der medizinischen Notwendigkeit eines Krankenrücktransports durch Charterflug, wenn auch eine Rückreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Linienflug) in Betracht kommt.
Normenkette
AVSB § 5
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 25.03.2014; Aktenzeichen 3 O 448/13) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 25.3.2014 - 3 O 448/13 - im Kostenpunkt aufgehoben und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.12.2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 4/5 und der Beklagte 1/5.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von dem Beklagten Kostenerstattung für einen Rücktransport seiner Ehefrau von Frankreich nach Deutschland auf der Grundlage einer zwischen den Parteien abgeschlossenen Krankenversicherung mit Auslandsdeckung.
Der Kläger ist seit dem 1.9.2001 Versicherungsnehmer einer mit dem Beklagten im Jahr 2001 abgeschlossenen Kranken- und Pflegeversicherung. Seine Ehefrau (Versicherte) ist mitversichert. Zwischen den Parteien ist eine Auslandsdeckung (Tarif PNE) vereinbart, welche in Abschnitt II. A.- Stand 1.1.2009 -lautet:
1. Aufwendungen für Nr. 1.1 und Nr. 1.2 erstatten wir mit 100 % unter Anrechnung von Versicherungsleistungen des Vereins.
...
1.2. Heilbehandlungen bei Reisen ins Ausland (Gebiete außerhalb der Bundesrepublik Deutschland) bei einem dort unvorhergesehen eintretenden Versicherungsfall:
1.2.1 Ambulante und stationäre Heilbehandlung
1.2.2. Medizinisch notwendiger und ärztlich verordneter Rücktransport an den ständigen Wohnsitz des Versicherten in der Bundesrepublik Deutschland oder in das diesem Wohnsitz nächstgelegene Krankenhaus
Dem Versicherungsverhältnis liegen zudem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kranken- und Krankenhaustagegeldversicherung, Teil I: Musterbedingungen (MB/KK) und Teil II: Tarif mit Tarifbedingungen, zugrunde.
Ende Mai 2013 unternahm der Kläger zusammen mit der Versicherten eine Reise nach Frankreich. Die Versicherte befand sich in der 35. Schwangerschaftswoche. Am 28.5.2013 traten bei ihr Schwangerschaftskomplikationen in Form von vaginalen Blutungen und Wehen auf. Sie wurde daher in der Nacht vom 28.5.2013 auf den 29.5.2013 im Krankenhaus von F in der Normandie stationär aufgenommen und behandelt. Die Blutungen konnten gestoppt werden, die Wehen bestanden zunächst fort. Am 31.5.2013 nahm der Kläger Kontakt mit der medizinischen Notrufzentrale des Beklagten auf, die für die im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) organisierten Krankenversicherer von der H Assistance GmbH betrieben wird. Infolge beauftragte der Beklagte die M Assistance mit der Leistungsbearbeitung. Deren Mitarbeiterin, die Zeugin Dr. Sch, telefonierte noch am 31.5.2013 mit dem Kläger, um die Situation zu klären und ggf. Dienstleistungen zu koordinieren. Der Inhalt des Telefonats ist zwischen den Parteien streitig. Die Versicherte erhielt im Krankenhaus einen 48 Stunden wirksamen Wehen-Hemmer und wurde mit einer Flugtauglichkeitsbescheinigung, einer sog. Fit-for-Fly-Bescheinigung, aus dem Krankenhaus in F entlassen. Sie flog zusammen mit dem Kläger am 1.6.2013 mittels eines vom diesem organisierten Charterflugs von Caen nach Stuttgart. Der Flug dauerte ungefähr zwei Stunden. Eine Fahrt mit dem Pkw hätte ca. zwölf Stunden in Anspruch genommen. In Deutschland angekommen, suchte die Versicherte das Klinikum P auf, wo sie eine Nacht verbrachte, bevor sie nach Hause entlassen wurde. Im weiteren Schwangerschaftsverlauf traten keine weiteren Komplikationen auf. Das Kind kam am 20.7.2013 zur Welt.
Die mit der Durchführung des Charterflugs beauftragte I Charter GmbH stellte der Versicherten am 6.6.2013 10.846,48 EUR in Rechnung. Der Beklagte lehnte die Kostenerstattung mit Schreiben vom 4.7.2013 ab. Daraufhin forderte der Klägervertreter den Beklagten mit Schreiben vom 30.9.2013 unter Setzung einer Frist bis zum 11.10.2013 nochmals zur Zahlung auf und verlangte zusätzlich 958,19 EUR an Rechtsverfolgungskosten. Mit Schreiben vom 10.10.2013 lehnte der Beklagte jegliche Versicherungsleistung ab.
Der Kläger hat vorgetragen, dass der Beklagte zur Erstattung der Kosten für den Rücktransport der Versicherten verpflichtet sei. Der Rücktransport sei "medizinisch notwendig" im Sinne der Versicherungsbedingungen gewesen, weil eine sprachliche Verständigung im Falle des Auftretens weiterer Komplikationen - z.B. einer Frühgeburt - sichergestellt werden musste. Zudem habe der Beklagte im Rahmen des Telefonats am 31.5.2013 dem Kläger eine uneingeschränkte Übernahme der Kosten für den Rücktransport zugesagt. Jedenfalls ergebe sich der Zahlungsanspruch des Klägers aus §§ 82,83 VVG.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 10.846,4...