Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu Ziffer 1 vgl. die Musterbedingungen des GDV - § 11 Abs. 3 ARB 2000 und § 11 Abs. 3 ARB 2010
Leitsatz (amtlich)
Gefahrerhöhung in der Rechtsschutzversicherung; Pflicht zur Mitteilung der zur Beitragsberechnung erforderlichen Angaben
1. Eine Klausel in AVB zur Rechtsschutzversicherung, nach welcher im bestehenden Versicherungsverhältnis der VN dem VR nach Aufforderung "die zur Beitragsberechnung erforderlichen Angaben" zu machen hat, wobei bei vorsätzlicher Verletzung dieser Pflicht der Wegfall des Versicherungsschutzes, bei grob fahrlässiger Verletzung eine Kürzung des Versicherungsschutzes eintritt, ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.
2. Zudem müsste eine solche Aufforderung, wenn man - entgegen hier vertretener Ansicht - von der Wirksamkeit der Klausel ausginge, dem Deutlichkeitsgebot entsprechen.
Normenkette
BGB § 307; VVG §§ 23, 25, 125
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 15.01.2018; Aktenzeichen 8 O 308/16) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 15.01.2018, Az. 8 O 308/16, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte ist befugt, die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zum Sachverhalt (redaktionelle Bearbeitung):
Die Parteien streiten über den von der Klägerin begehrten Deckungsschutz aus einem Rechtsschutzversicherungsvertrag für die Geltendmachung von Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüchen in 18 Fällen gegen Händler und gegen die VW AG im Zusammenhang mit der sogenannten Diesel-Affäre bzw. dem sogenannten VW-Abgasskandal zu gewähren.
Zwischen der Klägerin - einem Unternehmen in der Rechtsform der GmbH & Co. KG mit zuletzt 98 Mitarbeitern sowie mehreren Standorten - und der M-Versicherung, als deren Schadensabwicklungsunternehmen die Beklagte fungiert, bestand in der Zeit vom 19.01.2006 bis zum 18.08.2015 ein Rechtsschutzversicherungsvertrag für Selbstständige. Einbezogen sind die AVB des VR für die Rechtsschutz-Versicherung (nachfolgend: ARB). Diese enthalten in § 2 Regelungen zu den Leistungsarten, in § 3 zu ausgeschlossenen Rechtsangelegenheiten, in § 4 zu Anspruchsvoraussetzungen, in § 5 zum Leistungsumfang, in § 18 zu einem Schiedsgutachten bei Ablehnung des Rechtsschutzes durch den Versicherer und in § 28 zum Privat-, Berufs- und Verkehrs-Rechtsschutz für Selbstständige. § 11 ARB lautet - weitgehend übereinstimmend mit den Musterbedingungen ARB 2000 des GDV - auszugsweise wie folgt:
"§ 11 Änderung der für die Beitragsbemessung wesentlichen Umstände
(1) Tritt nach Vertragsabschluss ein Umstand ein, der nach dem Tarif des Versicherers einen höheren als den vereinbarten Beitrag rechtfertigt, kann der Versicherer vom Eintritt dieses Umstandes an für die hierdurch entstandene höhere Gefahr den höheren Beitrag verlangen. Wird die höhere Gefahr nach dem Tarif des Versicherers auch gegen einen höheren Beitrag nicht übernommen, kann der Versicherer die Absicherung der höheren Gefahr ausschließen. Erhöht sich der Beitrag wegen der Gefahrerhöhung um mehr als 10 Prozent oder schließt der Versicherer die Absicherung der höheren Gefahr aus, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers ohne Einhaltung einer Frist kündigen. In der Mitteilung hat der Versicherer den Versicherungsnehmer auf dieses Kündigungsrecht hinzuweisen.
(2) ...
(3) Der Versicherungsnehmer hat dem Versicherer innerhalb eines Monates nach Zugang einer Aufforderung die zur Beitragsberechnung erforderlichen Angaben zu machen. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Pflicht, kann der Versicherer den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen. Macht der Versicherungsnehmer bis zum Fristablauf diese Angaben vorsätzlich unrichtig oder unterlässt er die erforderlichen Angaben vorsätzlich und tritt der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Angaben dem Versicherer hätten zugehen müssen, so hat der Versicherungsnehmer keinen Versicherungsschutz, es sei denn, dem Versicherer war der Eintritt des Umstandes zu diesem Zeitpunkt bekannt. Beruht das Unterlassen der erforderlichen Angaben oder die unrichtige Angabe auf grober Fahrlässigkeit, kann der Versicherer den Umfang des Versicherungsschutzes in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis kürzen. Das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit hat der Versicherungsnehmer zu beweisen. Der Versicherungsnehmer hat gleichwohl Versicherungsschutz, wenn zum Zeitpunkt des ...