Entscheidungsstichwort (Thema)

Herausgabe. Erbvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Sittenwidrigkeit eines Erbvertrages, durch den die Mutter einem Pflegebedürftigen als Vorerben neben der Gewährung von Sozialhilfeleistungen zusätzliche Leistungen aus dem Erbe ermöglicht, aber die Vermögenssubstanz dem Nacherben erhält, ohne daß die Sozialbehörde die Möglichkeit hat, wegen ihrer Aufwendungen auf den Nachlaß zuzugreifen.

 

Normenkette

BGB § 138; BSHG §§ 2, 92c; SGB I § 9

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 24.04.1991; Aktenzeichen 5 O 423/90)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 24.04.1991 wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlußberufung des Beklagten wird das genannte Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden dem Kläger auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 DM abwenden, es sei denn, daß der Beklagte in gleichem Umfang Sicherheit leistet. Beide Parteien können die ihnen obliegende Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbringen.

V. Die Beschwer des Klägers übersteigt 60.000,00 DM.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt als Träger der Sozialhilfe Feststellung der Nichtigkeit eines Erbvertrages, den die Mutter der 1935 geborenen Sozialhilfeempfängerin B. H. die an einer unheilbaren Nervenkrankheit leidet und sich deshalb seit 1980 in Heimpflege befindet, am 02.02.1984 mit ihrem Sohn H. – C. H. H. geschlossen hat (I 47 f). Der Beklagte ist der für den Erbteil der Tochter eingesetzte Testamentsvollstrecker.

In diesem Erbvertrag wurde der Sohn zu einem Erbteil von 72 % und die Tochter zu einem solchen von 28 % eingesetzt. Bezüglich des Erbteils der Tochter wurde der Sohn als Nacherbe auf das Ableben der Tochter bestimmt; eine Befreiung des Vorerben gemäß § 2136 BGB wurde nicht verfügt. Nach der Teilungsanordnung hat die Tochter nach Ausgleichung eines Betrages von 270.000,00 DM für ein dem Sohn mit Übergabevertrag vom 20.10.1983 übertragenes Grundstück im wesentlichen das zum Zeitpunkt des Todes vorhandene Bargeld sowie die Wertpapiere zu erhalten. Die Aufgabe des Testamentsvollstreckers wurde auf die Verwaltung des Erbteils der Tochter bis zu deren Tode beschränkt. Bezüglich der Verwendung der Erträge aus dem Erbteil der Tochter wurde für den Testamentsvollstrecker im einzelnen bestimmt, daß der Tochter ein monatliches, den Verhältnissen anzupassendes Taschengeld von 200,00 DM zu gewähren, ein alljährlicher Urlaub von vier Wochen in einer Behindertenerholung oder sonstigen Erholungseinrichtung zu ermöglichen, Kosten für Anschaffungen von Gütern des persönlichen Bedarfs wie Kleidung und Einrichtungsgegenstände zu bestreiten sowie, soweit erforderlich, für die Unterbringung in einem Einzelzimmer in einem Heim zu sorgen ist. Bezüglich dieser Verpflichtungen wurde jedoch bestimmt, daß die Leistungen entfallen, soweit sie in irgendeiner Form auf die der Tochter zu gewährende Sozialhilfe nach dem BSHG angerechnet werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Erbvertrag vom 02.02.1984 verwiesen. Die Mutter, M. H. verstarb am 09.02.1987. Mit schriftlichem Vertrag vom 26.05.1987 (I 61 ff), der durch das Vormundschaftsgericht Singen – FR VIII 29/80 – am 01.06.1987 genehmigt wurde, setzten sich Sohn und Tochter über das Gesamthandsvermögen dahin auseinander, daß die Tochter Wertpapiere und Bankguthaben im Gesamtwert von 113.754,50 DM erhielt; diese werden vom Beklagten als Testamentsvollstrecker verwaltet.

Die Mutter lebte seit dem Jahre 1980 mit der Tochter in einem Pflege- und Altersheim und kam für die Kosten auf. Als die Tochter nach dem Tode der Mutter ihr eigenes nicht zum Nachlaß gehörendes Barvermögen für die Heimunterbringung aufgebraucht hatte, beantragte sie am 11.10.1988 beim Kläger Sozialhilfe für die Kosten der Heimunterbringung. Nachdem der Kläger zunächst durch Bescheid vom 06.12.1988 den Antrag zurückgewiesen hatte, gewährte er schließlich mit Bescheid vom 24.01.1990, einem Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 08.12.1989 folgend, Sozialhilfe für die Kosten der Unterbringung im Pflegeheim als Darlehen in einer Höhe bis zu 100.000,00 DM, nachdem durch Vorausabtretungsvertrag zwischen dem Kläger und der Sozialhilfeempfängerin Herausgabeansprüche gegenüber dem Testamentsvollstrecker in Höhe von 100.000,00 DM für den Fall der Nichtigkeit des Erbvertrages abgetreten worden waren.

Der Ergänzungspfleger der Sozialhilfeempfängerin hat mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts vom 15.03.1990 davon abgesehen, die Erbschaft auszuschlagen und Pflichtteilsansprüche geltend zu machen.

Der Kläger sieht den Erbvertrag als nichtig an, da dieser durchgehend von der Absicht getragen sei, das Nachrangprinzip der Sozialhilfe konsequent auszuschalten und den Erbteil de facto an der Tochter...

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