Leitsatz (amtlich)

1. Die Einschränkung eines bezifferten Leistungsantrags "Zug um Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten Ziff. 1 noch darzulegenden Nutzungsentschädigung", führt nicht zur Unbestimmtheit des Klageantrags, wenn dieser ersichtlich nicht auf eine Zug-um-Zug-Verurteilung gerichtet ist, sondern nur der Klarstellung dient, dass eine Vorteilsanrechnung akzeptiert werde.

2. Die Strategieentscheidung des Vorstandes der VW AG, die EG-Typengenehmigung für alle mit der Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Kfz ihrer Konzerngesellschaften von den dafür zuständigen Erteilungsbehörden zu erschleichen, ohne dass die materiellen Voraussetzungen dafür vorliegen, ist nicht adäquat kausal für den Erwerb eines (gebrauchten) Fahrzeugs, wenn der Erwerber positive Kenntnis von dem Vorhandensein dieser Software im erworbenen Fahrzeug hatte.

3. Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer des Fahrzeugs bestehen in diesem Fall ebenfalls nicht (§ 442 Abs. 1 Satz 1BGB.

4. Der Zweitkäufer ist als lediglich mittelbar Geschädigter einer sittenwidrigen vorsätzlichen Handlung zwar grundsätzlich in den Schutzbereich des § 826 BGB einbezogen (dazu Senat, Urteil vom 19. November 2019 - 17 U 146/19 -, juris Rn. 46).Jedoch stellt sich ein erst nach dem 16. Dezember 2015 geschlossener Kaufvertrag nicht mehr als zurechenbarer Vermögensschaden dar.

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 11. Januar 2019 - 4 O 93/18 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der jeweiligen Vollstreckungsgläubigerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils für die Vollstreckungsgläubigerin vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis 30.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag über ein von dem sog. "Abgasskandal" betroffenes Fahrzeug.

Die Beklagte Ziff. 2 stellte unter der Bezeichnung "EA 189" einen Dieselmotor her, in dessen Motorsteuerung eine zuvor in Kooperation mit der R. B. GmbH entwickelte Software zur Abgassteuerung installiert wurde. Diese Software verfügt über zwei unterschiedliche Betriebsmodi, welche die Abgasrückführung steuern. In dem im Hinblick auf den Stickoxidausstoß optimierten "Modus 1", der beim Durchfahren des für die amtliche Bestimmung der Fahrzeugemissionen maßgeblichen Neuen Europäischen Fahrzyklus (nachfolgend: NEFZ) automatisch aktiviert wird, kommt es zu einer höheren Abgasrückführungsrate, wodurch die gesetzlich geforderten Grenzwerte für Stickoxidemissionen eingehalten werden. Bei im normalen Straßenverkehr anzutreffenden Fahrbedingungen ist der partikeloptimierte "Modus 0" aktiviert, der zu einer geringeren Abgasrückführungsrate und damit zu einem höheren Stickoxidausstoß führt.

Der o.g. Dieselmotor wurde auf Veranlassung des Vorstands der Beklagten Ziff. 2 nicht nur in diversen Fahrzeugtypen der Beklagten Ziff. 2, sondern auch in solchen der zum V.-Konzern gehörenden Unternehmen verbaut.

Mit Bescheid vom 15. Oktober 2015 verfügte das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) gegenüber der Beklagten Ziff. 2 "zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit der [...] Typengenehmigung [...] des Typs EA 189 EU5" die "unzulässigen Abschalteinrichtungen" zu entfernen und drohte damit, andernfalls "die Typengenehmigung ganz oder teilweise zu widerrufen oder zurückzunehmen". Zugleich wurde die Beklagte Ziff. 2 verpflichtet, den technischen Nachweis zu führen, dass nach Entfernen der als unzulässig eingestuften Abschalteinrichtung alle technischen Anforderungen der relevanten Einzelrechtsakte der Richtlinie 2007/46/EG erfüllt werden.

Am 6. April 2016 erwarb der Kläger von der Beklagten Ziff. 1 - einem Autohaus - ein gebrauchtes Fahrzeug der Marke V., Typ ... 2,0 TDI mit einem Kilometerstand von 36.080 zu einem Kaufpreis von 25.900 EUR (Rechnung vgl. Anlage K 1). Nach Bezahlung des Kaufpreises wurde dem Kläger das Fahrzeug in der Folgezeit übergeben. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten Ziff. 2 hergestellter Dieselmotor des o.g. Typs EA 189 mit 2,0 Liter Hubraum verbaut, dessen Motorsteuerung im Zeitpunkt der Übergabe die o.g. Software zur Abgassteuerung enthielt.

Mit Schreiben vom 1. Juni 2016 (Anlage H 3) bestätigte das KBA der Beklagten Ziff. 2 gegenüber für das streitgegenständliche Modell, dass die in Reaktion auf den Bescheid vom 15. Oktober 2015 von der Beklagten Ziff. 2 entwickelten technischen Maßnahmen (konkret: ein Softwareupdate) geeignet sind, die Vorschriftsmäßigkeit herzustellen.

Der Kläger ließ das von dem KBA für das hier in Streit stehende Fahrzeug freigegebene Softwareupdate am 19. Juni...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge