Entscheidungsstichwort (Thema)
Arzthaftung. Aufklärung. Nervenverletzungen. Verjährung. Kenntnis. grobfahrlässige Unkenntnis. Behörde. Regressabteilung
Normenkette
BGB §§ 823, 199 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Entscheidung vom 04.02.2011; Aktenzeichen 3 O 471/07) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 04. Februar 2011 - 3 O 47/107 - wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsrechtszugs sowie die außergerichtlichen Kosten des Streithelfers im Berufungsrechtszug.
III. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Das klagende Land begehrt aus übergegangenem Recht Schadensersatz von den Beklagten im Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung im Jahre 1993 des Landesbeamten ..., der mit Wirkung zum 01.06.1997 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat der Klage überwiegend, ausgenommen lediglich einen Teil der Zinsforderung, stattgegeben.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgen. Das klagende Land und der auf seinen Seiten dem Rechtsstreit beigetretene ... verteidigen das angefochtene Urteil. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, wegen der Antragstellung auf die Sitzungsniederschrift vom 12.04.2012 (II 213). Der Senat hat Beweis erhoben durch ergänzende Anhörung des zum weiteren Sachverständigen bestellten Prof. Dr. .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12.04.2012 (II 213-215) verwiesen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Ohne Erfolg beanstandet die Berufung, dass das Landgericht die Passivlegitimation der Beklagten bejaht hat. Die persönliche Haftung der Beklagten zu 2 und 3 als der behandelnden Ärzte ist nicht durch die befreiende Schuldübernahme des Art. 34 GG ausgeschlossen. Für die Folgen der Behandlung haben sie vielmehr persönlich gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 BGB a. F. einzustehen. Der Senat nimmt auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil zur Vermeidung von Wiederholungen zustimmend Bezug. Die Beklagten berücksichtigen nicht hinreichend, dass die Beklagten zu 2 und 3 allenfalls dann in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt hätten, wenn die Behandlung des Landesbeamten ... in dem von der Beklagten zu 1 betriebenen Krankenhaus im Auftrag bzw. auf Weisung des Landes erfolgt wäre. Hier hat sich der Streithelfer jedoch aufgrund eigenen Entschlusses bei freistehender Arztwahl in die ärztliche Behandlung begeben. Allein der Umstand, dass ein gesetzlicher Anspruch auf Heilfürsorge des Landesbeamten besteht, führt nicht dazu, dass die behandelnden Ärzte in Ausübung eines öffentlichen Amtes handeln (vgl. BGH, VersR 2011, 264 ff., juris Tz. 16 ff.; NJW 1996, 2431 f., juris Tz. 3 ff.; NJW 1982, 1328 f., juris Tz. 15; Erman/Hecker, BGB, 13. Aufl., § 839 Rn. 31).
2. Zu Recht hat das Landgericht eine Haftung aus unzureichender Risikoaufklärung des Streithelfers vor dem operativen Eingriff am 26.04.1993 bejaht.
a) Die grundsätzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung hat das Landgericht zutreffend unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im angefochtenen Urteil dargelegt. Der Patient muss "im Großen und Ganzen" wissen, worin er einwilligt. Dazu muss er über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Dem Patienten muss eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern. Die Notwendigkeit zur Aufklärung hängt bei einem spezifisch mit der Therapie verbundenen Risiko nicht davon ab, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führt. Entscheidend ist vielmehr die Bedeutung, die das Risiko für die Entschließung des Patienten haben kann. Bei einer möglichen besonders schweren Belastung für seine Lebensführung ist deshalb die Information über ein Risiko für die Einwilligung des Patienten auch dann von Bedeutung, wenn sich das Risiko sehr selten verwirklicht (BGH, NJW 2010, 3230 ff., Tz. 11 m.w.N.). Die ärztliche Aufklärung hat den Zweck, dem Patienten eine zutreffende Vorstellung davon zu verschaffen, worauf er sich einlässt, wen...