Leitsatz (amtlich)
1. Äußert sich ein Arzt in einem Schreiben an einen Dritten nachteilig über einen anderen Arzt (Mitbewerber), so kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, ob eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vorliegt. An einer geschäftlichen Handlung kann es fehlen, wenn das Schreiben nicht an einen Patienten gerichtet und auch nicht zur Weiterleitung an potentielle Patienten gedacht war.
2. Ein Unterlassungsanspruch bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB) setzt eine Wiederholungsgefahr voraus. Nach einer Verletzungshandlung kann die Vermutung der Wiederholungsgefahr im Einzelfall auch ohne strafbewehrte Unterlassungserklärung widerlegt werden, wenn sich dies aus den Umständen des Falles ergibt.
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 09.11.2007; Aktenzeichen 12 O 87/07) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Freiburg vom 9.11.2007 - 12 O 87/07 - wird zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Freiburg vom 9.11.2007 - 12 O 87/07 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger und der Beklagte sind freiberuflich tätige Fachärzte für Orthopädie. Bis zum 31.12.2006 arbeiteten die Parteien in S. in einer Praxisgemeinschaft zusammen. Im Rahmen der Praxisgemeinschaft kam es zu verschiedenen rechtlichen Auseinandersetzungen. In einem Verfahren der einstweiligen Verfügung vor dem LG W. schlossen die Parteien einen Vergleich, in welchem sie sich auf eine Auflösung der Praxisgemeinschaft zum 31.12.2006 einigten. In dem Vergleich verpflichtete sich der Kläger, die bis dahin gemeinsamen Praxisräume zum 31.12.2006 zu verlassen.
Am 7.12.2006 richtete der Beklagte ein Schreiben an den Inhaber der Firma "S.-Werbung", Herrn W. in Freiburg, der bis zu diesem Zeitpunkt die erforderlichen Dienstleistungen für den Internet-Auftritt der Praxisgemeinschaft übernommen hatte. Das Schreiben hatte folgenden Wortlaut:
"Sehr geehrter Herr W. aufgrund einer gerichtlichen Verfügung des LG W. wird Herr Kollege Dr. E. zum 1.1.2007 die Praxis in der Hauptstraße, S. verlassen müssen.
Ich bitte Sie deshalb bei dem Internetauftritt die Daten, die seine Person betreffen, zu löschen. Bitte bestätigen Sie mir den Eingang dieses Schreibens.
Mit freundlichen Grüßen"
Der Kläger ließ den Beklagten daraufhin mit Anwaltsschreiben vom 12.12.2006 abmahnen, da der Hinweis auf eine gegen den Kläger gerichtete "gerichtliche Verfügung" in dem Schreiben vom 7.12.2006 unzutreffend und für den Kläger herabsetzend sei. Gleichzeitig ließ der Kläger den Beklagten auffordern, eine entsprechende strafbewehrte Verpflichtungserklärung abzugeben. Mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 14.12.2006 reagierte der Beklagte daraufhin wie folgt:
"Sehr geehrter Herr Kollege unser Mandant hat in der Tat die Worte "Verfügung" und "Vergleich" verwechselt. Ein Missverständnis, das einem Arzt - zumal es sich um ein gerichtliches Verfügungsverfahren handelte - unterlaufen kann. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass es "aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs" heißen muss. Er wird dies gegenüber Herrn W. richtig stellen und verpflichtet sich überdies verbindlich, die Behauptung nicht zu wiederholen, Ihr Mandant müsse die Praxis aufgrund einer gerichtlichen "Verfügung" verlassen.
Eine Wiederholungsgefahr ist damit nicht mehr gegeben. Da es sich nicht um eine Äußerung in einem Wettbewerbsverhältnis handelte, besteht für eine Strafbewehrung kein Anlass.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Dr. Sch. Rechtsanwalt"
Der Kläger hielt diese Erklärung für nicht ausreichend, da der Beklagte keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hatte. Auf Antrag des Klägers erließ das LG mit Urteil vom 23.2.2007 gegen den Beklagten eine einstweilige Verfügung wie folgt:
Der Verfügungsbeklagte wird verpflichtet, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnunghaft bis zu sechs Monaten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wörtlich oder sinngemäß schriftlich, mündlich oder in anderer Form zu erklären:
"Aufgrund einer gerichtlichen Verfügung des LG W. habe der Antragsteller zum 1.1.2007 die Praxis in der Hauptstraße S. verlassen müssen."
In der Begründung des Urteils vertrat das LG die Auffassung, das vom Kläger beanstandete Schreiben des Beklagten vom 7.12.2006 stelle eine unlautere Wettbewerbshandlung dar; denn der Beklagte habe in diesem Schreiben im Rahmen eines Nachfragewettbewerbs gehandelt. Die Firma S.-Werbung komme als Internet-Dienstleister sowohl für den Kläger als auch für den Beklagten in Betracht.
Auf die Berufung des Beklagten hat der Senat - im Verfahren 4 U 32/07 - das Urteil des LG aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurü...