Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunft. Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten. Auskunftspflicht über den Nachlass durch eine Stiftung. Stiftung als Alleinerbin. Abgrenzung von Vollerben und Vor- und Nacherben

 

Leitsatz (redaktionell)

Die als Alleinerbin vom Erblasser eingesetzte und ins Leben gerufene Stiftung ist analog §§ 2314, 2325 BGB dem Pflichtteilsberechtigten zur Auskunft über den Umfang des Nachlasses verpflichtet, da der Akt der Errichtung der Stiftung mit dem der Schenkung im Wesentlichen vergleichbar ist.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 260, 525, 1924 Abs. 1, 3, §§ 2205, 2211-2212, 2311, 2314, 2325, 2330; FGB § 65; EGBGB Art. 230, 235 § 1

 

Verfahrensgang

LG Heidelberg (Teilurteil vom 16.05.2003; Aktenzeichen 2 O 66/03)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Landgerichts Heidelberg vom 16.05.2003 – 2 O 66/03 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin verlangt im Wege der Stufenklage von der beklagten Stiftung als testamentarischer Alleinerbin des am 21.02.2002 verstorbenen Prof. Dr. med Albert Cuno W., zunächst Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Streitig ist zwischen den Parteien, ob die von der gesetzlichen Erbfolge testamentarisch ausgeschlossene Klägerin, deren Großvater der Erblasser war, pflichtteilsberechtigt ist. Die Beklagte meint, die Klägerin sei adoptiert worden, und nach dem auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Recht der ehemaligen DDR stehe ihr ein Pflichtteilsanspruch nicht zu. Weiterer Streitpunkt ist, ob der Erblasser und seine am 17.03.1997 vorverstorbene Ehefrau, die nicht die leibliche Großmutter der Klägerin war, sich mit dem am 15.12.1996 gemeinschaftlich errichteten, handschriftlichen Testament (AHK K 2) gegenseitig als Vor- und Nacherben oder als Voll- und Schlusserben eingesetzt haben. Schließlich besteht zwischen den Parteien Uneinigkeit darüber, ob der Klägerin ein Anspruch auf Erteilung von Auskunft über das Vermögen zusteht, mit dem die Beklagte als von der Aufsichtsbehörde genehmigte und als gemeinnützig anerkannte Stiftung ausgestattet wurde. Der Erblasser hatte am 07.12.1998 nach dem Tod seiner vermögenden Ehefrau die beklagte Stiftung errichtet und mit Vermögen aus dem Nachlass seiner verstorbenen Ehefrau versehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im Teilurteil des Landgerichts Heidelberg vom 16.05.2003 – 2 O 66/03 – Bezug genommen.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:

die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen,

Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am 21.02.2000 in Heidelberg verstorbenen Dr. med. Albert Cuno W. zu erteilen, und zwar

(a) durch Vorlage eines notariellen Verzeichnisses,

(b) durch Vorlage aller Unterlagen, die zur Ermittlung des Wertes erforderlich sind, insbesondere aller auf den Namen des Erblassers lautenden Sparbücher, Depotauszüge, Bausparverträge sowie aller sonstigen Konten- und Depotauszüge,

(c) hinsichtlich der Werte aller Immobilien des Erblassers durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens (Schätzung Stichtag per 21.02.2000)

(d) alle Nachlassverbindlichkeiten

(e) hinsichtlich aller Schenkungen, Anstandsschenkungen, Stiftungsausstattungen und sonstigen Zuwendungen, die der Erblasser der Beklagten in der Zeit vom 21.02.1990 bis 21.02.2000 gewährt hat

(f) alle sonstigen Schenkungen und Anstandsschenkungen, die der Erblasser im Zeitraum vom 21.02.1990 bis 21.02.2000 gewährt hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht Heidelberg durch Teilurteil vom 16.05.2003 Ziffer 1 der Klage antragsgemäß stattgegeben.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der eine Klageabweisung erreicht werden soll. Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie trägt ergänzend vor:

Die Klägerin sei nicht pflichtteilsberechtigt. Sie sei nach dem Tode ihres Vaters, des im Jahre 1974 verstorbenen Sohnes des Erblassers, von einem Herrn S. adoptiert worden. Sie könne daher von ihrem leiblichen Vater kein Pflichtteilsrecht ableiten. Dieser sei in der ehemaligen DDR verstorben. Gemäß Art. 235 Abs. 1 EGBGB sei das Recht der ehemaligen DDR maßgebend. Danach stünden der Klägerin, wie sich aus §§ 396–398 ZBG ergebe, keine Pflichtteilsansprüche zu.

Das Landgericht habe das gemeinschaftliche Testament vom 15.12.1996 fehlerhaft ausgelegt. Bei einer willens- und interessensorientierten Auslegung müsse man zu dem Ergebnis gelangen, dass die Eheleute sich als Vor- und Nacherben eingesetzt hätten. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Auskunft über die Vermögensausstattung der Stiftung zu, da s...

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