Leitsatz (amtlich)
Entstehen im Falle der Schadensberechnung auf wirtschaftlicher Totalschadensbasis und der Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs (hier: Rettungswagen) unverhältnismäßig hohen Mietwagenkosten ist der Geschädigte auf die - technisch mögliche - Reparatur zu verweisen, wenn dabei für den Geschädigten erkennbar die Ausfallzeit erheblich geringer ist, insbesondere wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nach dem Schadensgutachten nur knapp übersteigen (hier: Mietwagenkosten bei der Anschaffung eines Neufahrzeugs von über EUR 100.000 bei einem Wiederbeschaffungswert von 9.500EUR brutto und Reparaturkosten von 9.802,57 EUR).
Ist das verunfallte Fahrzeug mit einem geringen Kosten- und Zeitaufwand in einen verkehrssicheren Zustand zu versetzten, aufgrund dessen es in dem zu überbrückenden Zeitraum bis zur Auslieferung des Neufahrzeugs ohne Bedenken als Rettungswagen von der Klägerin eingesetzt werden kann, besteht der zu ersetzende Schaden in dem Wiederbeschaffungswert und den Kosten der "Notreparatur".
Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 16.09.2011; Aktenzeichen 2 O 250/09 D) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Konstanz vom 16.9.2011 - 2 O 250/09 D - wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von einer Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten erster Instanz über 1.307,81 EUR vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (18.8.2009) freizustellen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 69.879,26 EUR festgesetzt.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Bei einem Verkehrsunfall am 8.1.2009 wurde ein Rettungswagen (RTW) der Klägerin beschädigt. Die vollumfängliche Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.
Das von der Klägerin eingeholte Schadensgutachten vom 16.1.2009 wies einen Wiederbeschaffungswert von 9.500EUR brutto und Reparaturkosten von 9.802,57 EUR brutto aus. Als Wiederbeschaffungsdauer wurden 14 Tage angegeben.
Die Klägerin bestellte ein Neufahrzeug und mietete vom 14.01. bis 8.5.2009 ein Ersatzfahrzeug an, wodurch ihr Mietwagenkosten von insgesamt 103.951,26 EUR entstanden. Die Beklagte Ziff. 2 zahlte vorgerichtlich die bis zum 16.02. angefallenen Mietwagenkosten von insgesamt 31.011EUR, weigerte sich aber, weitere Kosten zu übernehmen. Daraufhin klagte die Klägerin einen Betrag von 70.938,27 EUR ein, wovon ihr durch das angefochtene Urteil 69.879,26 EUR zugesprochen wurden.
Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen mit nachfolgenden Ergänzungen.
Die Beklagten erstreben mit ihrer Berufung in der Hauptsache weiterhin Klagabweisung, akzeptieren aber den Urteilsausspruch Ziff. 2 hinsichtlich der Freistellung der Klägerin von einer Forderung auf vorgerichtliche Kosten ihrer Prozessbevollmächtigten in der Höhe von 1.307,81 EUR, was einer Berechnung auf der Grundlage eines Gegenstandwerts von 31.011,99 EUR entspricht, dem Betrag, den die Beklagte Ziff. f32 insgesamt vorgerichtlich auf die Mietwagenkosten bezahlt hat.
Die Klägerin beantragt außer der Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Wege der Anschlussberufung, ihrem Klagantrag Ziff. 2 in vollem Umfang (Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 2.118,44 EUR) stattzugeben.
Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Anschlussberufung.
Der Senat hat mit Verfügung vom 28.6.2012 den Parteien Hinweise erteilt, dass angesichts der im vorliegenden Fall infolge des Erwerbs eines Neufahrzeugs entstandenen immensen Mietwagenkosten von insgesamt über 100.000 EUR bei einem Wiederbeschaffungswert des verunfallten Fahrzeugs von 9.500 EUR ein Vergleich der Reparaturkosten mit dem Wiederbeschaffungswert für die Schadensberechnung seine Aussagekraft verlieren könne, wenn die Ausfallzeiten bei Wiederbeschaffung einerseits und Reparatur andererseits in einem krassen Missverhältnis zu einander stünden. Da die Klägerin von Anfang an bei der Bestellung des Neufahrzeugs davon habe ausgehen können und müssen, dass Mietwagenkosten von mindestens 95.000 EUR entstehen würden, spräche alles dafür, dass in diesem Fall die Reparatur des Fahrzeugs zu einer erheblich kürzeren Ausfallzeit geführt hätte und damit bei einer Gesamtbetrachtung in diesem Ausnahmefall die Durchführung der Reparatur der wirtschaftlich erheblich günstigere und damit allein sinnvolle Weg der Schadensbehebung gewesen wäre (II, 97 - 103).
Die Klägerin hat daraufhin umfangreich dazu vorgetragen, dass der Sachverständige B. in seinem Gutachten vom 16.1.2009 gar...