Leitsatz (amtlich)
Bei der Rückabwicklung eines widerrufenen Realkreditvertrages gilt die von der Rechtsprechung für andere Fallgruppen aufgestellte tatsächliche Vermutung nicht, der Darlehensgeber habe aus den ihm geleisteten Zinsen Nutzungen in Höhe des allgemeinen Verzugszinssatzes gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB gezogen. Vielmehr ist für Realkredite der von § 497 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. (= jetzt § 503 Abs. 2 BGB) auf 2,5 Prozentpunkte abgesenkte Verzugszinssatz als Maßstab bei der Bemessung der von dem Kreditgeber gezogenen Nutzungen heranzuziehen.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 17.04.2015; Aktenzeichen 8 O 317/14) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Mannheim vom 17.4.2015 - 8 O 317/14 - wie folgt abgeändert:
1. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
2. Auf die Widerklage werden die Kläger als Gesamtschuldner über Ziffer 3 der Urteilsformel hinaus verurteilt, an die Beklagte
a) weitere 2.902,87 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 4,87 % seit dem 16.02.2015 nebst Zinsen von 4,87 % abzüglich Zinsen in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 161.047,29 EUR seit dem 16.02.2015;
b) weitere 1.342,56 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 4,85 % seit dem 16.02.2015 nebst Zinsen von 4,85 % abzüglich Zinsen in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 72.971,81 EUR seit dem 16.02.2015
zu zahlen.
II. Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.
III. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsrechtszuges.
IV. Dieses Urteil und das Urteil des LG, soweit es nicht abgeändert worden ist, sind vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckungsschuldner dürfen die Zwangsvollstreckung des Gläubigers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.
VI. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 23.068,15 EUR (Berufung der Kläger 18.822,72 EUR und Berufung der Beklagten 4.245,43 EUR) festgesetzt.
Gründe
A. Die Parteien streiten über gegenseitige Ansprüche im Zusammenhang mit der Rückabwicklung eines von den Klägern widerrufenen Darlehensvertrages.
Am 12./15.11.2007 und am 28.11./03.12.2007 schlossen die Kläger zur Finanzierung eines Immobilienerwerbs mit der Beklagten zwei durch Buchgrundschulden gesicherte Verbraucherdarlehensverträge über einen Darlehensnennbetrag von 182.400 EUR und über 85.000 EUR zu festgeschriebenen Zinssätzen von 4,98 und 4,94 Prozent (Anlagen B 1 und B 2). Hinsichtlich der von den Klägern unterzeichneten Belehrungen über ihr Widerrufsrecht wird auf LGU 3/4 verwiesen.
Mit Schreiben vom 08.07.2014 erklärten die Kläger den Widerruf ihrer auf den Abschluss der beiden Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen (Anlage K 2). Die Beklagte wies mit Schreiben vom 11.07.2014 und vom 14.10.2014 (Anlagen K 3 und K 5) die Erklärungen zurück.
Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagte schulde Rückzahlung der von ihnen auf das Darlehen erbrachten Annuitäten von 77.624,88 EUR und 36.981,63 EUR sowie Nutzungsersatz in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins, insgesamt 20.390,77 EUR. Dem stünden Ansprüche der Beklagten auf Rückzahlung der Valuta einschließlich Darlehenszinsen und Verzugszinsen bis zum Widerruf in Höhe von 356.715,02 EUR entgegen. Damit hätte die Beklagte von ihnen noch 221.717,74 EUR zu fordern.
Sie haben Feststellung begehrt, dass sie über diesen Betrag hinaus keine Zahlung mehr schulden; außerdem haben sie Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 4.541,99 EUR verlangt.
Demgegenüber hat sich die Beklagte auf den Standpunkt gestellt, die Erklärung des Widerrufs verstoße gegen Treu und Glauben und sei daher unwirksam und rechtsmissbräuchlich. Die Kläger bezweckten mit ihrem Widerruf lediglich, sich von dem Darlehen zu lösen und so unter Vermeidung einer Vorfälligkeitsentschädigung von den zwischenzeitlich gefallenen Zinsen zu profitieren. Das entspreche nicht dem Zweck des verbraucherschützenden Widerrufsrechts und rechtfertige den Einwand unzulässiger Rechtsausübung. Sollte der Widerruf dennoch wirksam sein, könne die Beklagte von den Klägern als Gesamtschuldner Zahlung der noch offenen Darlehensvaluta nebst den nach den vertraglichen Zinssätzen zu bemessenden Wertersatz für die Gebrauchsüberlassung bis zur Rückzahlung der Valuta bzw. bis zur Aufrechnung der sich gegenüberstehenden Rückgewähransprüche verlangen. Den Klägern stünde allenfalls ein Nutzungsersatz von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu. Die nach dem Widerruf erfolgten Zahlungen der Kläger seien auf die Rückgewährschuld zu verrechnen. Hiernach ergäben sich Zahlungsbeträge von 163.950,16 EUR und 74.314,37 EUR (zusammen 238.264,53 EUR) jeweils nebst Verzugszinsen. Diese Forderungen hat die Beklagte hilfsweise mit der Widerklage erstrebt.
Wegen der weiteren Feststellungen, der erstinstanzlichen Anträge und näheren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf das Urteil des...