Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfall auf ins Nichtschwimmerbecken führender Kinderrutsche: Haftung aus Aufsichtspflichtverletzung - Mitverschulden - Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Schwimmbadbetreibers § 254 BGB; § 823 Abs. 1 BGB; § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verpflichtung aufsichtspflichtiger Eltern geht in der Regel nicht dahin, ihr eine Kinderrutsche hinunterrutschendes Kind vor dem Zusammenprall mit einem anderen Kind aufzufangen, das auf das untere Ende der Rutschfläche geklettert war, um in sinnwidriger Weise auf dieser nach oben zu klettern.

2. Die Aufsichtspflicht der Eltern bezieht sich allein auf das Verhalten ihres eigenen Kindes.

3. Der Anteil des Geschädigten und seiner Aufsichtspflichtigen am Zustandekommen eines Unfalls ist nach den Regeln des § 254 BGB in Beziehung zu setzen zum Verursachungs- und Verschuldensanteil des Schädigers und der diesem gegenüber Aufsichtspflichtigen.

4. Die Verkehrssicherungspflicht eines Schwimmbadbetreibers richtet sich nach dem konkreten Benutzerkreis. In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass die Benutzer eines Schwimmbades sich nicht besonders leichtsinnig verhalten.

5. Der Betreiber eines Schwimmbades genügt seiner Verkehrssicherungspflicht, wenn er einen Bademeister bereitstellt, der sein Augenmerk auch - wenn auch nicht ununterbrochen - auf die besonderen Schwimmbadeinrichtungen (hier: ins Nichtschwimmerbecken führende Kinderrutsche) richtet.

 

Verfahrensgang

LG Offenburg (Urteil vom 24.11.2005; Aktenzeichen 2 O 117/05)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Offenburg vom 24.11.2005 - 2 O 117/05 - wird als unbegründet zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 8.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der damals 8-jährige Kläger hielt sich am 16.8.2003 zusammen mit seiner Mutter und seinem um zwei Jahre älteren Bruder S. D. im Freibad der Stadt H. auf. Unmittelbar nachdem er unter den Augen seiner nur wenige Meter entfernt im Nichtschwimmerbecken stehenden Mutter die in dieses Becken führende ca. 3m hohe und 5,5m lange Kinderrutsche hinuntergerutscht war, kletterte der Kläger vom Eintauchbereich her wieder auf das untere Ende der Rutschbahn, um von hier aus auf der Rutschfläche - und nicht etwa vom Beckenrand aus auf den dafür vorgesehenen Stufen - in aufrechter Körperhaltung wieder zum höchsten Punkt der Rutsche zu gelangen. Als er sich noch im unteren Bereich der Rutschbahn befand, rutschte ihm der auf der Rutschfläche von oben mit den Beinen voraus heruntergleitende damals knapp 5 Jahre alte Sohn Jonas der Beklagten Nr. 1 und Nr. 2, dessen Mutter zum Unfallzeitpunkt ebenfalls unweit des unteren Endes der Rutsche stand, in die Beine. Der Kläger verlor dadurch das Gleichgewicht und schlug mit dem Gesicht auf der Rutschfläche auf, wobei er erhebliche Verletzungen im Mundbereich erlitt.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz seines immateriellen Schadens in Anspruch und begehrt Feststellung ihrer Ersatzpflicht hinsichtlich seines künftigen Schadens. Er ist der Auffassung, die Beklagten Nr. 1 und Nr. 2 hätten ihren Sohn nicht hinreichend beaufsichtigt gehabt. Der Beklagten Nr. 3 - Stadt K. - als der Betreiberin des Freibades wirft er eine Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht vor. - Die Beklagten sind dem Klagebegehren entgegengetreten. Sie stellen in Abrede, ihrer Aufsichts- bzw. Verkehrssicherungspflicht nicht genügt zu haben. Weiter meinen sie, dass eine etwaige Haftung der Beklagten jedenfalls auf Grund des eigenen Verhaltens des Klägers sowie der Aufsichtspflichtverletzung seiner Eltern zurücktreten müsse.

Wegen der vom Kläger verfolgten Ansprüche, des zugrundeliegenden Sachverhalts und des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien im Einzelnen sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 ZPO).

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Den

Beklagten Nr. 1 und Nr. 2 sei eine Verletzung ihrer Aufsichtspflicht nicht vorzuwerfen. Der Sohn der Beklagten Nr. 1 und Nr. 2 sei ordnungsgemäß beaufsichtigt gewesen, da sich die Eltern in der Nähe der Wasserrutsche aufgehalten hätten und so ihren Sohn unter Beobachtung gehabt hätten. Für sie sei zu erkennen gewesen, dass ihr Sohn die Rutsche ordnungsgemäß bestiegen habe, um sodann vorschriftsgemäß auf ihr hinunter ins Wasser zu rutschen. Damit, dass der Kläger sich entschließen werde, die Rutsche bestimmungswidrig auf der Rutschfläche zu besteigen, hätten weder die Beklagten Nr. 1 und Nr. 2 noch ihr Sohn zu rechnen brauchen. Sie hätten davon ausgehen können, dass der Kläger die Bahn freigeben werde, wenn ihr Sohn den Rutschvorgang beginne. - Der Beklagten Nr. 3 sei keine Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht zur Last zu legen. Eine ständige Anwesenheit des Bademeisters am Be...

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