Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Urheberrechtsschutz von Nachrichtentexten, die in Presse und sonstigen Medien verbreitet werden
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 16.04.2010; Aktenzeichen 7 O 175/09) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Mannheim vom 16.4.2010 (Az. 7 O 175/09) im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, die als Anlagen K20 bis K31 sowie K33 und K34 beigefügten Artikel ohne Zustimmung der Klägerin im Internet Dritten öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 3.389,40 nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.4.2009 zu zahlen.
3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann bezüglich der Verurteilung nach Ziff. I.1. gegen Sicherheitsleistung i.H.v. EUR 25.000,00, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung der Verurteilung nach Ziff. I.1. Sicherheit i.H.v. EUR 25.000,00, im Übrigen i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
(Abbildungen entfernt)
Gründe
I. Die Klägerin, eine Tochtergesellschaft der französischen Nachrichtenagentur "...", nimmt den Beklagten wegen der Verletzung von Urheberrechten an einer Reihe von Nachrichtentexten in Anspruch.
Der Beklagte betreibt das regional ausgerichtete Internetmagazin "...", das sich an die Region N.-S., R., E., P. und I. wendet. Er hat auf der Internetseite www ... die Nachrichtenmeldungen gemäß Anlagen K20 bis K34 veröffentlicht.
Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Befugnisse an den Texten nach Anlagen K1 bis K15. Sie nimmt den Beklagten deshalb auf Unterlassung und auf Zahlung von Schadensersatz nach der Lizenzanalogie sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch.
Der Beklagte hat vorgetragen, er habe die Texte unverändert, ohne eigene redaktionelle Aufbereitung aus Newslettern von PR-Agenturen und Presseunternehmen wie "Spiegel Online" oder "swissinfo. ch" übernommen; diese Quellen habe er zutreffend angegeben. Er hat bestritten, dass die Klägerin die ausschließlichen Nutzungs- bzw. Verwertungsbefugnisse an den fraglichen Texten habe.
Das LG hat die Klage abgewiesen, weil den Texten nach Anlage K1 bis K15 die urheberrechtliche Werkqualität fehle. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, worin die individuelle geistige Schöpfung des jeweiligen Autors liege. In der Darstellung entsprächen sie dem für Nachrichtenagenturen üblichen und zweckmäßigen "Tickerstil", ohne dass der Autor dem jeweiligen Text seinen individuellen Stempel aufgedrückt hätte. Es handele sich um Nachrichten tatsächlichen Inhalts, die den Rahmen des in diesem Bereich Üblichen nicht sprengten und nicht Ausdruck einer eigenschöpferischen und eigentümlichen Gedankengestaltung seien. Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Vortrag zur Werkqualität sei gem. § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen; eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung sei nicht veranlasst, weil die Schutzfähigkeit der Texte vom Beklagten bereits mit der Klageerwiderung in Abrede gestellt worden sei.
Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel in vollem Umfang weiter. Sie ist der Auffassung, das LG sei von einem zu eng gefassten urheberrechtlichen Werkbegriff ausgegangen. Im bestehenden harmonisierten Rechtsrahmen sei ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten. Sowohl nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als auch nach der des BGH sei davon auszugehen, dass Zeitungsartikel aufgrund der Auswahl, Anordnung und Darstellung des Materials grundsätzlich schutzfähig seien. Im angegriffenen Urteil würden diese Leitlinien nicht konsequent befolgt. Eine Übertragung der für wissenschaftliche Sprachwerke geltenden Anforderungen sei nicht angängig. Bei Anwendung der genannten Maßstäbe in der gebotenen Einzelbetrachtung sei die Schutzfähigkeit der Texte nach Anlagen K1 bis K15 zu bejahen. Nichts anderes gelte aber, wenn der eingeschränkte Werkbegriff des angefochtenen Urteils zugrunde gelegt werde.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren erklärt, die auf den Text nach Anlage K13 gestützten Ansprüche nicht weiter zu verfolgen. Sie beantragt in der Berufungsinstanz zuletzt, den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen,
1. es bei Meidung von Ordnungsmitteln, nämlich eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Or...