Entscheidungsstichwort (Thema)

"3D-Messestände": Urheberrechtsschutz bei Computergrafiken

 

Leitsatz (amtlich)

1. Computergrafiken können als angewandte Werke der bildenden Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG Schutz genießen. Das danach erforderliche deutliche Überragen der Durchschnittsgestaltung setzt - ohne Rücksicht auf den mit der Grafik erfolgten praktischen Zweck - voraus, dass das Werk künstlerische Individualität erkennen lässt. Der Umstand, dass die computergestützte Erstellung nicht völlig automatisiert abläuft und mit beträchtlichem Aufwand bei manuell einzugebenden Befehlen verbunden ist, genügt allein nicht.

2. Computergrafiken mit virtuellen Designbeispielen in der Realität (noch) nicht existierender Messestände werden nicht i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG "ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen". Sie sind auch keine Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art gem. § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG, wenn sich ihr Zweck in ihrem gefälligen visuellen Eindruck erschöpft.

3. Ist der im Grundsatz für eine Computergrafik nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gegebene Schutz mangels ausreichender Schöpfungshöhe zu versagen, kann er nicht außerhalb des Beispielkatalogs - unter dem Stichwort multimedia-Werk eigener Art - doch gewährt werden.

 

Normenkette

UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5, 7, 2

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 02.09.2008; Aktenzeichen 33 O 113/08)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 2.9.2008 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des LG Köln - 33 O 113/08 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte, die von ihrer Internetseite zwei Darstellungen von Messeständen übernommen und danach eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hatte, wegen der Abmahnkosten (859,80 EUR) in Anspruch. Mit ihrer Berufung gegen das klageabweisende Urteil des LG, auf das verwiesen wird, trägt sie ergänzend zur Schutzfähigkeit der Darstellungen vor. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, denn das LG hat den von der Klägerin mit urheberrechtlicher Begründung geltend gemachten Anspruch auf Freistellung von den notwendigen Kosten ihrer Abmahnung (§§ 683 S. 1, 677, 670, 257 BGB) zu Recht verneint. Die eigenmächtige Übernahme zweier Computergrafiken von der Webseite der Klägerin durch die Beklagte (so wenig billigenswert sie auch erscheinen mag) stellt nämlich keine Urheberrechtsverletzung (§ 97 UrhG) zu Lasten der Klägerin (nach konkludenter Nutzungsrechtseinräumung durch ihre Mitarbeiter, §§ 31 Abs. 5 S. 2, 43 UrhG) dar. Insoweit fehlt den Darstellungen - wie das LG zutreffend erkannt hat - die notwendige Gestaltungshöhe.

An dieser Beurteilung vermag das zweitinstanzliche Vorbringen der Klägerin (bei unterstellter Zulässigkeit ihres ergänzten Sachvortrags nach § 531 ZPO) nichts zu ändern, wobei es für den Urheberrechtsschutz ohnehin nicht entscheidend auf die in der Berufungsbegründung dargelegten Einzelschritte für die computergestützte Erstellung der 3-D-Messestand-Entwürfe, sondern auf das sinnlich wahrnehmbare Ergebnis ankommt: Die bei der Berufungsverhandlung als vergrößerter farbiger Ausdruck in Augenschein genommenen Bilddateien (ob sie von der Beklagten in dieser hochauflösenden Form übernommen wurden, ist unklar) lassen sich weder einer der im Gesetz beispielhaft aufgezählten Werkarten (§ 2 Abs. 1 UrhG) zuordnen noch unabhängig davon als persönliche geistige Schöpfung mit Werkqualität (§ 2 Abs. 2 UrhG) ansehen (vgl. zu den je nach Werkart verschiedenen Anforderungen Schricker/Loewenheim, UrhR, 3. Aufl., § 2 Rz. 74 f.; Wandtke/Bullinger, UrhR, 3. Aufl., § 2 Rz. 25; Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 2 Rz. 24), was mehr erfordert als eine handwerkliche oder routinemäßige Leistung oder Fleißarbeit, mag sie auch noch so solide und fachmännisch erbracht sein (Schricker/Loewenheim, a.a.O., Rz. 26 m.w.N.). Auf das verwandte Schutzrecht des Lichtbildners (§ 72 UrhG) kann sich die Klägerin ebenso wenig stützen. Auch eine wettbewerbsrechtliche Anspruchsgrundlage kommt nicht in Betracht.

1. Um schutzfähige Werke der angewandten bildenden Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG handelt es sich bei den übernommenen Darstellungen nicht. Nach vom BGH in ständiger Rechtsprechung vertretener (vgl. zur Kritik Schricker/Loewenheim, a.a.O., § 2 Rz. 31 ff., 158 m.w.N.), verfassungsrechtlich unbedenklicher Auffassung (BVerfG GRUR 2005, 410 - Laufendes Auge), der auch der Senat folgt, unterliegt die urheberrechtliche Schutzfähigkeit im Bereich der "Gebrauchskunst" höheren Anforderungen als im Bereich der zweckfreien bildenden Kunst. Sie erfordert, da sich in diesem Bere...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge